: Inflationsrate nur noch 1,5 Prozent
■ Seit der Wiedervereinigung war die Preissteigerung nie so niedrig. Der private Konsum sinkt außer bei Autos und Reisen
Berlin (taz) – „Der Vulkan der Inflation ist erloschen“, meinte der US-Wirtschaftswissenschaftler Lester Thurow zu Jahresanfang in der Wirtschaftswoche. In der Tat: Die Preissteigerungsrate ist in den G-7-Staaten fast kein Thema mehr. Und in Deutschland, so die gestern veröffentlichten Daten für 1996 des Statistischen Bundesamtes, sind die Preise so gering angestiegen wie noch nie seit der Wiedervereinigung: um 1,5 Prozent für einen Privathaushalt.
Im Westen lag die Inflationsrate gar bei nur 1,4 Prozent, im Osten bei 2,2 Prozent. Die höhere Rate im Osten ist auf die Mieterhöhungen im Rahmen des sogenannten Mietüberleitungsgesetzes zurückzuführen. Doch die niedrige Inflationsrate hat nicht für einen höheren Konsum gesorgt.
Im Gegenteil: In fast allen konsumnahen Branchen kam es zu sinkenden Umsätzen. Nur beim Autokauf und bei der Finanzierung von Reisen wurde offensichtlich nicht gespart, stellte die Gesellschaft für Konsumforschung fest. Weder das Weihnachtsgeschäft noch die geänderten Ladenschlußzeiten hätten an der mangelnden Konsumbereitschaft der Deutschen etwas geändert. Verantwortlich dafür seien die Sorge um den Arbeitsplatz und die anhaltende Spardebatte in Bonn, die für Verunsicherung unter den Verbrauchern sorge. Die niedrige Inflationsrate ist inzwischen allerdings in die Kritik renommierter Wirtschaftswissenschaftler geraten. Ein drastischer Preisverfall könne die bewährte, an minimalen Inflationsraten orientierte Geldpolitik der Notenbanken ad absurdum führen, weil auf Dauer keine Minuszinsen durchgesetzt werden könnten. Zum anderen führten fallende Preise zu noch höheren Arbeitslosenraten, wenn die Löhne nicht im gleichen Umfang sinken würden. Ein vernünftiges Inflationsziel, so der US-Ökonom Paul Krugman, müsse deshalb bei „drei bis vier Prozent“ liegen. kpk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen