: Behördenfleiß hat seinen Preis
■ Umweltschutzgruppe Physik/Geowissenschaften klagt gegen Umweltbehörde Von Marco Carini
Gefragt waren Daten zur Umweltsituation in Billbrook. Um eine Bestandsaufnahme der ökologischen Belastung des Stadtteils zu erstellen, beantragte die Hamburger „Umweltschutzgruppe Physik/Geowissenschaften e.V.“ den Zugang zu aktuellen Gewässer-, Grundwasser- und Luftmeßdaten aus der Hamburger Industrieregion. Doch mit der Antwort der Umweltbehörde flatterte den UmweltaktivistInnen auch ein Gebührenbescheid ins Haus: 2082,50 Mark sollten sie für die zusammengestellten Computerausdrucke und Kopien aus bereits veröffentlichten Broschüren zahlen.
Wegen des „öffentlichen Interesses“ wurde der Betrag jedoch schließlich reduziert: auf immer noch stolze 956,55 Mark. Für Thomas Kleineidamm von der Umweltschutzgruppe ist der „unverschämte Gebührenbescheid ein Versuch von Umweltsenator Fritz Vahrenholt, den Zugang zu Umweltdaten zu behindern und damit das Datenchaos in seiner Behörde zu verschleiern“.
Mit dem Gebührenhammer würde die Umweltbehörde eine Anfang 1993 in Kraft getretene EG-Richtlinie hintertreiben, nach der in begründeten Fällen Privatpersonen und Nicht-Regierungs-Organisationen der Zugang zu „umweltbezogenen Informationen“ nicht verwehrt werden darf. Auch zur Kostenfrage gibt die Europaverordnung Auskunft: „Die Mitgliedsstaaten können für die Übermittlung der Informationen eine Gebühr erheben, die jedoch eine angemessene Höhe nicht überschreiten darf.“
Daß die Rechnung unangemessen hoch sei, bestreitet die Umweltbehörde. Ihr Sprecher Kai Fabig: „Wir mußten ein ganzes Bündel an Informationen zusammentragen, die über viele Fachämter und Dienststellen verteilt sind. Da kommen schnell mal 1000 Mark für den immensen Arbeitsaufwand zusammen.“ Den Vorwurf, Senator Vahrenholt versuche mit hohen Gebühren die Öffentlichkeit von Informationen abzuschneiden, weist Fabig zurück: „Der Senator hat sich dafür eingesetzt, daß die ursprüngliche Forderung drastisch reduziert wurde.“
Die Umweltbehörde kann zudem auf das Umweltinformationsgesetz der Bundesregierung verweisen, nach dem die Behörde für die Herausgabe von Umwelt-Infos nicht nur einen Obolus erheben kann, sondern sogar muß. Und zwar in einer Höhe, die sämtliche Kosten deckt. Behördensprecher Fabig: „Wir sind an der untersten Grenze geblieben. Man kann allenfalls darüber streiten, ob es überhaupt zulässig ist, solche Gebühren, wie Bonn sie vorschreibt, zu erheben.“
Das wird geschehen: Denn die Physik/Geowissenschaftler reichten gegen den teuren Gebührenbescheid der Umweltbehörde Klage vor dem Hamburger Verwaltungsgericht ein. Nun müssen die Richter entscheiden, ob EG-Verordnung, Bundesrecht und Hamburger Praxis miteinander im Einklang stehen.
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