: Garßong, üün bjärr sillwuplää
■ Von Flaschenbier und Postbank: Wenn der Sprachführer versagt
In meinem Volkshochschul-Französischkurs hielt sich ein Jahr lang hartnäckig das Gerücht, mit der Bestellung „une bière“ (sprich: üün bjäärr) komme tatsächlich ein frisch Gezapftes auf den Tisch. Bis zu Vertrocknungserscheinungen der Mundschleimhäute suchte ich meinen Schülern diese Illusion auszureden. Die „falschen Freunde“, les faux amis (lee fosami), wie der Franzose sagt, hätten ihnen bestenfalls ein schales Flaschenbier beschert.
Flaschenbier! In Frankreich!! Selbst den ärgsten Feind hätte ich in diese Falle nicht laufen lassen mögen. „Un demi“ (öhrn demiii), „ein Halbes“, oder noch besser (aus Gründen der Kontaktaufnahme in der Kneipe) „deux demis“ (döö demiii), zwei Halbe, rief ich deshalb verzweifelt und ließ es im Chor wiederholen. Bis Walter, mein Chef, mir eines Tages mitteilte, Urschrei-Therapie hätte im Sprachunterricht nichts zu suchen. Klett-Schulbuch-Verlags-GmbH hatte gesiegt.
Es steht zu befürchten, daß meine Ex-Schüler noch heute Kellner in Baguette-Land mit dem völlig veralteten „garcon!“ (garßong) herbeizitieren und in ihrer Aufregung über die „Bestellsituation“ (ein Reiseführer) das eine oder andere „s'il vous plaît“ (sillwuuplää, bitte) höflichst verschlucken.
Wie sollten sie es auch besser wissen? Die meisten Sprachführer und -kassetten bringen einem vor allem unnützes Zeug bei. Nie werde ich verstehen, weshalb ich mit meinem „Russisch-in-letzter-Minute“ quälende Zungenbrecher wie „Wo ist der Bahnhof?“ stottern können sollte. Erstens hätte ich die Antwort frühestens nach Abfahrt des Zuges verstanden, zweitens wäre ich dem „landeskundlichen Teil“ meines Reiseführers zufolge bis dahin wahrscheinlich wiederholt von der Mafia ausgeraubt worden, und drittens ist ein „Taxi!“ angesichts russischer Eiseskälte ohnehin empfehlenswerter.
Nie gefunden habe ich dagegen wichtige Vokabeln für Notsituationen wie „Hasse ma ne Mark?“ oder: „Es ist ungeheuer lieb von dir, daß du mein Rad flicken willst.“ „Wo ist hier was los?“ scheint sich auch noch kein Lehrbuchautor nach Einbruch der Dunkelheit gefragt zu haben.
Es gibt Sprachen, die leichter zu erlernen sind als andere. Mein Kollege Sven zum Beispiel protzt gern mit seinen unschlagbaren Finnischkenntnissen. Nach nur ein paar Urlauben unter Mücken hat sich dem Autodidakten erschlossen, daß „Postipankki“ Postbank heißt und häufig geschlossen ist. Manchmal sind Geldautomaten günstiger.
„Hallo“, „tschüß“, „Prost“, „lecker“, aber auch „Schluß mit lustig“ bzw. „Hau ab!“ (für die Härtefälle) habe ich stets vor Ort und selbst auf Griechisch („asse-me-issichi“ – laß mich in Ruhe) im Handumdrehen gelernt.
Neulich habe ich einen Schüler von einst wiedergetroffen. „Mattmoselll!“ Der Schmerz fuhr mir durch die Glieder. Doch es war schon passiert: „Wie wär's mit üün bjäärr?“ Da sind doch wirklich Hopfen und Malz ... Heike Haarhoff
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