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Die Rückkehr der Luxusleichen

■ „Das Geheimnis der Mumien“ im Museum für Kunst und Gewerbe

Der „Fluch der Pharaonen“ ist nur eine Allergie von Ägyptologen auf in den Mumien nistende Schimmelpilze. Und da auch Totengott Osiris seit dem Sieg des Christentums seine Macht verloren hat, konnten die Europäer die einst seinem mächtigen Schutze Anbefohlenen massenhaft mißbrauchen: Sie kolonisierten gleichsam die Geschichte.

Jene höchst merkwürdige Wirkungsgeschichte der Mumien nach dem Ende der altägyptischen Kultur im 6. Jahrhundert unserer Zeit ist der überraschendste Teil der Ausstellung, die das Museum für Kunst und Gewerbe dem Geheimnis der Mumien widmet. Zweihundert Exponate umfaßt die vierteilige Ausstellung, von Grabbeigaben wie magischen Amuletten zu symbolischen Dienerfiguren, von alten Götterdarstellungen zu realistischen Stuckmasken und Mumienporträts aus der Spätzeit unter römischem Einfluß. Und vor allem elf menschliche und zwanzig Tiermumien in ihren prächtigen Umhül-lungen.

Im Zentrum der Ausstellung stehen, wüstengelb und ewigkeitsgolden inszeniert, die Methoden und Werkzeuge der Einbalsamierung und die Formen des Mensch und Tier umfassenden Totenkults. Der ewige Erhalt des Körpers war so wichtig, da die Seele des Verstorbenen ohne ihn bloß ein ruhelos irrender Geist wäre. Hinter pyramidenschrägen schwarzen Tüchern erfährt man, daß im Jenseits das Herz gegen eine Feder aufgewogen wurde und 42 Fragen von 42 Dämonen nach dem gerechten Leben positiv zu beantworten waren.

„Mumija“ ist historisch nur die Bezeichnung für das bei der Einbalsamierung verwendete Erdpech – erst später ging der Begriff auf den toten Körper als Ganzes über. Seit dem Mittelalter benutzte man Mumienpulver als Medizin, vor allem das in den Schädeln getrocknete Salböl.

Nach Napoleons Nil-Feldzug wurde Ägyptisches geradezu Mode, reiche Reisende brachten Mumien zum Vergnügen nach Europa. Englisch trocken die Einladungskarte: „Lord Londesborough, at home, Monday, 10th June, 1850, 144, Piecadilly, A Mummy from Thebes to be unrolled at half-past Two.“ Noch Hohenzollern-Prinz Friedrich Karl ließ 1883 auf einem Billardtisch seines Jagdschlosses eine mitgebrachte Mumie auswickeln: „...kein Amulett, kein Schmuckgegenstand, keine Papyrusrolle fand sich am Leibe der heiligen Tempelmagd. Die Enttäuschung war allgemein“, berichtet ein Zeitzeuge.

Heute ersetzen Röntgenstrahlen und Computertomographie das Auspacken der Leichen und ermöglichen Forschung ohne Zerstörung. Diesem Thema ist der letzte Teil der Mumienschau gewidmet. Nach dem medizinischen Mißbrauch und dem ästhetischen Interesse, nach romantischer Legendenbildung und gelehrtem Amüsement, dienen die Mumien jetzt der Wissenschaft zur Erforschung historischer Lebens- und Sterbensumstände und den Museen – kaum anders als einst in der Schaubude auf dem Markt – als Besucherattraktion.

Die vor Jahrtausenden Gestorbenen gelangten nicht in das ersehnte Reich ihrer Götter und schon gar nicht zur ewigen Ruhe, doch das nicht abreißende Interesse sichert ihr Überleben in der Erinnerung der Nachgeborenen bereits für ziemlich lange Zeit. Gerade weil der Totenkult im alten Ägypten so überdimensioniert war, übt er auf eine hektisch diesseitige Gesellschaft, die späteren Jahrtausenden außer wenigen konservierten Führern wie Lenin und Mao nur strahlenden Atommüll hinterläßt, so großen Reiz aus. Hajo Schiff

„Das Geheimnis der Mumien“, Museum für Kunst und Gewerbe, täglich, auch montags, bis 20. April. Katalog im Prestel-Verlag, 144 Seiten, in der Ausstellung 29,80 Mark

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