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Windschiffe, die keiner will

Die Handelsschiffahrt könnte gewaltige Mengen Schweröl einsparen, doch die Reeder zeigen am Segel kein Interesse  ■ Von Marco Carini

Ob stolze Windjammer oder schnittige Jollen: Wer an die Seefahrt denkt, dem kommen schnell die Bilder windgeblähter Segel in den Kopf. Doch Segelschiffe sind heute fast nur noch als Sportboote gefragt. Im Warenverkehr auf den Meeren hat das Segel keinen Platz. Die großen Handelsschiffe, durchaus für Windantrieb geeignet, kreuzen ausschließlich mit Hilfe riesiger Schweröl-Motoren über die Weltmeere.

Knapp fünf Prozent des jährlichen Ölbedarfs verbraucht die Schiffahrt. Die meist ungefilterten Ölabgase belasten dabei die Ozeane weit mehr als die immer wiederkehrenden Tankerunfälle.

Noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrschten die großen Segelfrachtschiffe den Handel auf den Weltmeeren. Als Höhepunkt und gleichzeitig Abschluß dieser Epoche gelten die stählernen Segelschiffe, die sich noch in den ersten dreißig Jahren des 20sten Jahrhunderts gegen eine scheinbar übermächtige Konkurrenz der Dampfschiffe behaupten konnten. Danach verschwanden die großen Frachtsegler von den Ozeanen. Und tauchten dort bis heute nicht wieder auf.

Da Segelschiffe von Wind und Wetter abhängig sind, hätte ein Windantrieb in der modernen Handelsschiffahrt allenfalls als Zusatzantrieb eine Chance. Reine Windschiffe – so heißt es in einer Studie aus dem Hause Blohm + Voss – würden „den heute in der Handelsschiffahrt üblichen Ansprüchen hinsichtlich Geschwindigkeit und Pünktlichkeit nicht mehr gerecht werden“. Bei einer Hamburger Werft wurde bereits Mitte der achtziger Jahre über „die erneute Nutzung der Windenergie zum Vortrieb für seegehende Handelsschiffe“ eingehend diskutiert. Ein Ende 1992 verfaßter Abschlußbericht der Werft kommt jedoch zu dem Ergebnis, daß sich „die Frage nach einem strategischen Einstieg in das Geschäftsfeld Windenergie für Schiffe“ für sie nicht stelle, da „eine Nachfrage nach Windzusatzbetrieben für Handelsschiffe derzeit praktisch nicht vorhanden ist“.

Weil Zusatzsegel oder Windrotoren mangels Massenfertigung teuer sind, hat die ökologische Antriebsalternative keine Chancen. Und: „Die Ölpreise sind so niedrig“, begründet Ralf Schneider vom Verband Deutscher Reeder das Desinteresse seiner Organisation an der umweltfreundlichen Antriebsalternative. Da bei den Reedern keine Nachfrage und in den Deutschen Ministerien kaum Bereitschaft herrscht, entsprechende Pilotprojekte zu unterstützen, herrscht Flaute an der Windfront.

Eines der wenigen vom Bundesforschungsministerium geförderten Schiffe mit einem Wind-Zusatzantrieb ist der Frachter „Maruta Jaya 900“, der seit 1993 mit großem Erfolg zwischen den indonesischen Inseln Java, Kalimantan und Sulawesi kreuzt. Das deutsch-indonesische Forschungsprojekt wurde federführend von der Hamburgischen Schiffsbauversuchsanstalt (HSVA) entwickelt.

Daß sich durch den Einsatz von Zusatzsegeln rund 40 Prozent des umweltschädlichen Schiffstreibstoffes einsparen ließen, bewies auch schon die Umweltorganisation Greenpeace. Ihre Kampagnen-Schiffe Rainbow Warrior I und II beweg(t)en sich je nach Wetterlage mit Windkraft oder Motoren-Energie durch die Weltmeere.

Auf der Rainbow Warrior II, die durch ihre Fahrt zum Mururoa–Atoll in die Schlagzeilen geriet, muß niemand mehr an die Wanten. Das Setzen und Bergen der Segel funktioniert vollautomatisch. Computer berechnen die beste Stellung der Segelanlage, die mit dem Motor so gekoppelt ist, daß bei abnehmendem Wind die Verbrennungsleistung heraufgefahren wird. Doch nur bei Flaute oder riskanten Manövern wird das Schiff ganz auf Ölbasis durch die Wellen gesteuert.

Während in der Bundesrepublik die Entwicklung stagniert, läuft im benachbarten Dänemark die Forschung zwar nicht auf Hochtouren, aber zumindest im bescheidenen Rahmen. Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet etwa der dänische Kapitän und Ingenieur Jens Bloch mit Unterstützung des Energieministeriums am Thema. Jetzt wurde eine Studie vorgelegt mit dem Plan eines 215 Meter langen Frachtenseglers mit Windantrieb. Der Massengutfrachter würde jährlich mit 5000 Tonnen Brennstoff weniger auskommen als vergleichbare Schiffe gleicher Größe. Die Idee stammt aus Hamburg. Die ersten Entwürfe zeichnete bereits in den 50er Jahren der Ingenieur Wilhelm Prölss vom Institut für Schiffbau der Universität Hamburg. Als Prölss 1976 starb, kaufte Bloch dessen Patente und entwickelte den Windfrachter weiter.

Auch in anderen Ländern gibt es in kleinem Maßstab Überlegungen, die Windenergie für den Schiffsgüterverkehr zu nutzen. So plant die britische Reederei „Bright Green Shipping Company's“ den Bau von Zweimastfrachtenseglern, die einen Liniendienst von Kanada in die Karibik aufnehmen sollen.

Den Schritt von der Theorie in die Praxis hat bislang jedoch ausschließlich Japan geschafft: Für die asiatische Industrienation kreuzen bereits rund ein Dutzend mit Segeln ausgerüstete Tanker und Massengutfrachter durch hohe See.

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