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Der „Tiger“ und seine Talente

■ Amateurboxen in Hamburg: Kein Boom, aber ein Achtungserfolg gegen Schweden

Christian Görrisch tänzelt vor dem durchtrainierten Mann mit Boxhandschuhen. Er täuscht einen Schlag mit der Rechten an, weicht zurück und trifft sein Gegenüber blitzartig mit der linken Faust. „Das ist wie Kriegen spielen“, erklärt er lachend. Boxen als Fechten mit Fäusten: ausweichen, antäuschen, zuschlagen.

Ein anderer Boxer bringt sich am Sprungseil in Form. Mehr als fünf Minuten hüpft er ohne Unterlaß, verlagert das Gewicht nur abwechselnd etwas mehr auf eines seiner Beine. Der Schweiß läuft ihm über den ganzen Körper. „Man muß ein halbes Jahr hart trainieren, bis man in den Ring steigen kann“, erklärt Görrisch.

Es ist Verbandstraining der Hamburger Amateurboxer in einem Nebentrakt der Alsterdorfer Sporthalle. Am Ende des schlauchartigen Raumes steht ein Ring. Hier sparren zwei Kämpfer mit Kopfschutz, Pflicht bei den Amateuren. Über ihnen ist ein Schild an der weißen Wand befestigt: „No pain no gain“ steht darauf.

Der 26jährige Görrisch ist seit Jahresbeginn neuer Verbandstrainer des Hamburger Amateur-Box-Verbandes. Mit ihm soll es in der Box-Provinz Hamburg endlich wieder aufwärts gehen. Dafür hat der ehemalige Dritte der Deutschen Meisterschaften in Leipzig studiert. „Jetzt muß ich in die Boxvereine gehen, um mein Wissen weiterzugeben“, hat sich der Übungsleiter vorgenommen.

Der Boom des Profiboxens treibt die Kids noch nicht in Scharen in den Ring: „70 Jugendliche haben sich im vorigen Jahr für das Boxen entschieden“, kann der Hamburger Sportwart bei den Amateurboxern, Karl-Heinz Schnoor, nur einen bescheidenen Aufschwung vermelden. 1800 Mitglieder in 17 Klubs hat der Verband zur Zeit. Im St.- Pauli-Stadion zu kämpfen, wie der „Tiger“ Dariusz Michalczewski, davon können die Amateure nur träumen: Der Vergleichskampf der Hamburger Auswahl gegen Südschweden an diesem Sonnabend wurde etwa im Wandsbeker Box-Gym in der Walddörfer Straße ausgetragen.

Gerade mal sechs rote Plastikstuhlreihen zählt die schmale Tribüne des Gebäudes. In dem flachen Schuhkarton in Wandsbek trainieren werktags die Fighter aus dem „Universum“- Profi-Stall des Promoters Klaus-Peter Kohl. Doch Kohl hat auch ein Herz für die Amateure, „er hat uns das Gym kostenlos zur Verfügung gestellt“, dankt Geschäftsführer Hans John vom Hamburger Amateur-Box-Verband.

Immerhin drängeln sich 600 Frauen und Männer in der engen Halle, um den ersten Amateur-Vergleichskampf gegen eine ausländische Boxstaffel seit 1982 zu erleben. Das Publikum ist fair und sachkundig: „Fäuste hoch!“ rufen die ZuschauerInnen, wenn ein Hamburger Kämpfer seine Deckung vernachlässigt. Prominente, die „Hau ihm auf die Fresse, Rocky!“ in den Ring brüllen könnten, sucht man vergebens. Auch Uwe Seeler, immerhin Schirmherr der Veranstaltung, ist verhindert. Dafür sind die Hamburger Boxgrößen von einst vollzählig versammelt: Dietmar Kottysch, Olympiasieger von 1972, und Uwe Seemann, Deutscher Meister im selben Jahr, sind der lebende Beweis der goldenen Vergangenheit.

Der heutige Nachwuchs fällt bislang überwiegend durch Talent auf, „da sind einige gute Leute“, hat auch Profitrainer Fritz Szdunek bemerkt. Er meint Malte Jöhnk, der als Hamburger im Halbschwergewicht für die Bundesligastaffel in Flensburg boxt, und Alexander Epstein vom BC Heros.

Doch ansonsten sind Hamburgs Boxer Lichtjahre von der Konkurrenz aus Schwerin entfernt: Die S.I.G. Elmenau startet als klassenhöchste Hamburger Staffel gerade einmal in der Oberliga. Bezeichnend ist auch, daß Alexander Epstein das Boxen in Weißrußland gelernt hat.

Der Vergleichskampf am Wochenende zeigte jedoch, daß sich die Hamburger Auswahl an starken Gegnern steigern kann: Mit 12:8 siegten die favorisierten Schweden zwar erwartungsgemäß, „doch die Hamburger Staffel hat positiv überrascht“, fand Schnoor. Der schwedische Delegationsleiter Peter Siemons staunte nicht schlecht, daß der Hamburger Bülent Zorlu vom SV Polizei „den bärenstarken Henrik Waldemarsson auf die Bretter schicken konnte“.

Nach dem Erfolg des Schwedenkampfes soll die Hamburger Staffel in diesem Jahr noch Tschechien und Dänemark boxen. Die Termingestaltung ist allerdings schwierig, denn beim nächstenmal „muß Uwe Seeler unbedingt mit dabei sein“, fordert John.

M. Greulich

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