: Vom Hotelzimmer ins Eigenheim
■ Polizei: Prostitution in eigens gekauften Wohnungen nimmt zu
Prostituierte aus Osteuropa gehen in Hannover immer mehr in eigens dafür gekauften Wohnungen ihrem Gewerbe nach. Nach Erkenntnissen des Fachkommissariats „Milieu“ bieten etwa 500 Frauen über Annoncen ihre Dienste in Wohnungen an. Zwei Drittel von ihnen stammen aus den ehemaligen GUS-Staaten.
„Meist werden Eigentumswohnungen in großen Wohnanlagen gekauft, die viel Mieterwechsel und Anonymität garantieren“, berichtete der Direktor der Polizei Hannover, Peter Eggerling, am Freitag. Nicht im Rotlichtviertel Steintor, sondern in diesen Appartments würden die lukrativen Geschäfte gemacht. Zwar sei Hannover keine Drehscheibe für Prostitution und Menschenhandel, doch die Polizei registrierte mit der Öffnung Osteuropas eine erhebliche Steigerung dieser Kriminalität.
Bis zum Jahr 2000 und der Weltausstellung Expo rechnen die Ermittler mit einer Ausweitung von Prostitution und Menschenhandel. „Hinter den Kulissen wird es dann auch zu Verwerfungen um Marktanteile kommen“, sagte Eggerling.
Mit dem Abschluß eines Ermittlungsverfahrens gegen drei Männer und eine junge Frau hat das Fachkommissariat Einblicke in die Praxis dieser Geschäfte bekommen: Danach haben ein 34jähriger Pole und seine 25jährige Frau durch Zeitungsinserate für lukrative Beschäftigungen acht junge Frauen aus Osteuropa angelockt. Weitere Hauptverdächtige in diesem Fall von organisierter Kriminalität sind ein 29jähriger Türke und ein 37jähriger Deutscher.
Nachdem die Frauen illegal über die Grenze nach Hannover gebracht wurden, mußten sie als Prostituierte in Wohnungen arbeiten. Von ihrem „Dirnenlohn“ mußten die Frauen wöchentlich rund 650 Mark Miete und 150 Mark für Telefon bezahlen. Prostituierten wurde meist die Hälfte des Verdienstes, der bis zu 20.000 Mark im Monat sein konnte, abgenommen.
Der Umgang mit den Frauen gleicht nach Ansicht von Polizeipräsident Hans-Dieter Klosa einer modernen Sklavenhaltung. „Ohne Sprachkenntnisse und Papiere leben die Frauen hier in einem Abhängigkeitsverhältnis, aus dem sie sich kaum selbst befreien können.“
dpa
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