: Und ewig murmeln und raunen die Götter
■ Die Tanzproduktion „Rumor de deuses“ von Paulo Ribeiro gastiert auf Kampnagel
Ein Lichtstrahl wie aus einer göttlichen Wolke. Er schält einen Körper aus dem dunklen Bühnenraum heraus. Still und feierlich. Ganz so, als würde hier jemand mit spirituellem Spotlight zu Höherem erwählt. Doch das Licht leitet keine Absolution, keine Charakterpolitur ein, inspiriert keine selige Ganzheit von Körper und Geist. Es zerstückelt, wo es hinfällt.
Oberkörper, Hände, Arme formieren sich zu isolierten Schattentänzen über rechteckigen Lichtflecken. Auch körpererhaltende Funktionen wie Atmen werden als Geräusch und Reflex für das Auflösungsballett gecastet. Ein und ein, aus und aus, ein Rhythmus, den präzise kontrahierende und expandierende Bewegungen im Wechsel begleiten.
Rumor de deuses, das Tanztheaterstück der portugiesischen Compagnie Paulo Ribeiro, das am Mittwoch auf Kampnagel gastierte, zeigt eine besonders eigenwillige und spannende Choreographie. Sie spielt mit Versatzstücken aus Pantomime und Slapstick und schlägt aus vertrauten Abläufen dämonisierende Funken. Der tanzende Körper wird hier zum rituellen Vehikel polytheistischer Launen. Inkarnation und Exorzismus sind seine ständig wechselnden Untermieter.
Weich, fest, schlingernde Körperachsen, schlaksende Glieder und plötzlich spannt sich alles vom Haaransatz bis in den kleinsten Zeh. Jedes noch so schwache Zittern, jedes noch so wüste Stampfen scheint einem fernen Kommando zu gehorchen. Ringkämpfe und Terrainkriege, Kraftmeierei und Mimosentücke, alles endet abrupt in hilflosem Abpatschen oder unvermittelten Abgängen. Auch wenn die Tänzerinnen zu albernem Samba wackeln, dauert es nicht lange, bis aus der Bewegung eine biomechanische Groteske und aus dem Lächeln eine züngelnde Fratze wird.
Das titelgebende „Murmeln der Götter“ flüstert den Tänzern schließlich Andacht und Demut ein, läßt sie Fatalismus und Opferbereitschaft zelebrieren. Und hin und wieder schwebt einer amüsant über den Boden oder segelt wie ein umgedrehter Jesus zur Erde zurück. Doch gen Ende verspielen sich alle Ambivalenzen leider ein bißchen im Überdeutlichen mit unübersehbarem Zeigegestus.
Doch der Epilog gehört dem Sakrileg und dem Apfel. Da halten zwei Frauen die sündige Frucht unter Augenklimpern hoch, seifen sich damit ein, machen ihn zum Streitobjekt der Geschlechter. Bis der unselige Erkenntnisspender in kleinen Stückchen über den Boden hagelt, die im Schweinwerferlicht noch eine Weile glänzen. big
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