: Schöne Worte, aber keine müde Mark
■ Europäisches Jahr gegen Rassismus 1997: Berlin will sich um die "Europäische Beobachtungsstelle für fremdenfeindliche Phänomene" bewerben, hat aber kaum Chancen, den Zuschlag zu bekommen
Die deutsche Eröffnungsveranstaltung ist im großen Stil geplant: Unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Roman Herzog wird in einem pompösen Festakt Anfang März im Haus der Kulturen der Welt in Berlin das „Europäische Jahr gegen Rassismus 1997“ eingeleitet. 1.000 Gäste sind geladen, 400 Schülerinnen und Schüler sollen diskutieren, musizieren, Sketche aufführen. Unter dem griffigen Motto „Für ein Europa ohne Diskriminierung übernimmt Berlin Mitverantwortung“ soll in der Hauptstadt Antirassismus in diesem Jahr politische Priorität haben.
Inhaltlicher Schwerpunkt wird der Schul-und Jugendbereich sein. Insbesondere die Vierzehn- bis Einundzwanzigjährigen, die nach Aussage der Ausländerbeauftragten Barbara John (CDU) mehrheitlich „tolerant und offen für das Zusammenleben mit ethnischen Minderheiten“ seien, sollen motiviert werden, gewaltbereiten Jugendlichen „eine Absage zu erteilen und Alternativen aufzuzeigen“.
Ein hehres Ziel, doch die geplanten Veranstaltungen und Kampagnen klingen eher altbacken: Plakatwettbewerbe, Jugend- und Schüleraustausch, Fachtagungen zu Jugendgruppengewalt und Rechtsradikalismus sind einige der Programmpunkte.
Und extra Geld gibt es für den finanziell arg gebeutelten Jugendbereich auch nicht. Denn im Unterschied zu einigen anderen EU- Mitgliedsstaaten – die niederländische Regierung schüttet zur nationalen Kofinanzierung beispielsweise 1,2 Millionen Gulden (umgerechnet rund eine Millionen Mark) aus – stellt der Bund keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung. Auch das Land Berlin rückt nicht eine einzige Mark heraus.
Für Brigitte Erler von der „Aktion Courage – SOS Rassismus“ droht das Europäische Jahr gegen Rassismus deshalb zu einer „Plakat- und T-Shirt-Farce“ zu verkommen. Auch die Berliner Kontakt- und Beratungsstelle für ausländische Flüchtlinge (KUB) findet keine lobenden Worte. Da die Koordinierung beim Bundesinnenministerium angesiedelt ist, sei zu befürchten, daß das die Veranstaltungen zu einer „Public-Relations-Veranstaltung für Innenminister Kanther“ verkommen und die Ausländer- und Flüchtlingspolitik „schön geredet“ werde.
Anetta Kahne von der Regionalen Arbeitsstelle für Ausländerfragen Berlin und Brandenburg (RAA), hofft, daß wenigstens die „alltägliche, sehr anstrengende“ Arbeit der antirassistischen Nichtregierungsorganisationen in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen werde, denn diese sei normalerweise kein Thema in Deutschland.
Berlin möchte im Europäischen Jahr gegen den Rassismus jedoch nicht kleckern, sondern klotzen – allerdings nur, wenn es um Repräsentanz geht. So will sich die Hauptstadt für den Sitz der „Europäischen Beobachtungsstelle für rassistische und fremdenfeindliche Phänomene“ bewerben, neben Paris und Wien. In der Beobachtungsstelle sollen sowohl Daten aus allen europäischen Ländern gesammelt wie auch Konzepte und Instrumente für die Bekämpfung von Rassismus erstellt werden. Doch die Hauptstadt scheint bewerbungstechnisch mal wieder kein Glück zu haben. Denn weil es in Wien bisher keine Ableger von Institutionen der Europäischen Union gibt, sind die Chancen, daß die österreichische Hauptstadt den Zuschlag bekommt, am größten, befürchtet der ausländerpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Eckhardt Bathel. Wann der Europäische Rat über die Standortfrage für die antirassistische Beobachtungsstelle entscheidet, ist noch nicht klar. Julia Naumann
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