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Bürgerbegehren verhindern Wohnungsneubauten

■ CSU in Argumentationsnot: Sie fordert Baugebiete, aber nicht in ihren Gegenden

München (taz) – Eine beliebte Frage in der bayerischen Landeshauptstadt lautet momentan: Wieviele Wohnungen hätten Sie denn gern? Denn sobald die Stadtverwaltung Pläne für ein neues Baugebiet vorlegt, versuchen Anwohner nahegelegener Stadtteile mit Bürgerbegehren, die Frage nach dem Wohnungsbau nicht vom Stadtrat, sondern vom Wahlvolk entscheiden zu lassen.

Der Termin für den ersten Bürgerentscheid zum Thema Wohnungsbau wurde nun gestern festgelegt. Am 27. April dürfen Münchens Wähler abstimmen, ob sie im Westen der Stadt drei Baugebiete wollen. Initiator Joachim Krämer (Motto: „Wir lassen uns die Zukunft nicht verbauen“) plädiert für eine drastische Reduktion der städtischen Pläne. Statt über 10.000, so der als Makler tätige Mann, sollen am westlichen Stadtrand in den nächsten Jahren nur etwa 3.000 Wohnungen entstehen.

Pikant daran ist, daß Krämer von einem prominenten CSU- Mann unterstützt wird: von Helmut Pfundstein, dem stellvertretenden Fraktionschef und Gauweiler-Intimus. Weil Pfundstein selbst im Westen der Stadt wohnt, findet er die Ziele des Maklers korrekt, obwohl seine Partei seit Jahren geißelt, daß die SPD und Grüne zuwenig Wohnungen bauen würden.

Vor allem Peter Gauweiler hatte sich in den letzten Wahlkämpfen über zu wenig Wohnungsbau erregt. So wollte er in einem Areal in der Nähe eines Landschaftsschutzgebiet nicht 4.000, sondern gleich 6.000 Wohnungen hochziehen lassen. Doch dieses Gebiet liegt im ärmeren Norden der Stadt, wo erstens kaum CSU- Stimmen zu holen sind und zweitens kein prominenter Konservativer wohnt.

Selbst die Münchner Bauwirtschaft, normalerweise der CSU geneigt, spürt einen gewissen Zorn über die Neubau-Gegner. So soll es bei einer Aussprache in der CSU-Fraktion nach Berichten von Beteiligten erregte Diskussionen über die Kapriolen der Konservativen gegeben haben.

Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hat sich inzwischen an die Spitze eines „Bündnisses für Wohnungsbau“ gestellt. Er wirbt dafür, am 27. April den Vorschlag der Initiative Krämers abzulehnen: „Wir wollen mehr Wohungsbau, um den Markt zu entlasten.“

Vermutlich wird er diese Parole auch nach der Entscheidung im Frühjahr oft wiederholen müssen. Gestern hat eine weitere Initiative, diesmal aus dem Osten der Stadt, ihre Unterschriften übergeben, mit denen sie ein anderes Baugebiet verhindern will. Immerhin konnte der Stadtrat einige Neubauten im Südwesten der Stadt widerstandslos beschließen. Ude kommentierte lakonisch: „Aus unerfindlichen Gründen liegt hier noch kein Bürgerbegehren vor.“ Felix Berth

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