■ Helmut Kohl brüskiert Italiens Regierungschef Prodi: Der Kampf um die Macht
Es war abzusehen, daß der überraschende Blitzbesuch des Vorsitzenden der Demokratischen Partei der Linken, Massimo D'Alema, bei Bundeskanzler Helmut Kohl einen Tag vor der offiziellen Staatsvisite von Regierungschef Romano Prodi den Ministerpräsidenten aufs höchste desavouieren würde. Natürlich war dies auch dem höchst intelligenten PDS-Chef klar. Stellt sich also die Frage, warum hat er das getan, und warum hat Kohl mitgespielt? Oder war Helmut Kohl gar der Einladende zu diesem „unzüchtigen“ Techtelmechtel?
Für Prodi geht es bei seinem Deutschlandbesuch bereits um alles oder nichts. Ein definitives Ja aus Bonn zum Beitritt Italiens schon zur ersten Euro- Gruppe würde ihn so stärken, daß er so schnell nicht mehr aus seinem Amt zu vertreiben wäre. Diese Aussicht muß D'Alema äußerst verdrießen, denkt der 47jährige Machtmensch doch daran, spätestens im nächsten Jahr selbst Regierungschef zu werden. Gibt es aus Bonn andererseits ein ausdrückliches Nein, wird er, so hat es Ministerpräsident Romano Prodi versprochen, zurücktreten – was Neuwahlen bedeutet und nach dem Scheitern seiner Europapolitik wohl auch den Verlust der Macht für die Linke.
Neuwahlen passen dem Herausforderer D'Alema allerdings derzeit nicht ins Konzept, da er zur sofortigen Nachfolge für Prodi noch nicht stark genug ist. Erst Mitte dieser Woche wurde er zum Vorsitzenden der Kommission gewählt, die die Verfassung reformieren soll. Nur nach erfolgreicher Arbeit in dieser Kommission kann er sich den Wählern mit guten Chancen präsentieren.
Auch Helmut Kohl sitzt in der Patsche: Einerseits schätzt er Prodi, seinen Außenminister Dini und Schatzminister Ciampi sehr. Doch andererseits weiß er auch, daß er die Lira nicht so einfach ins Euro-System hereinnehmen kann, da die Deutschen dadurch eine Aufweichung ihrer harten D-Mark fürchten. So mochte ihm D'Alema als der einzige erscheinen, mit dem er Tacheles reden und gleichzeitig Auswege sondieren konnte.
Ob das Manöver sich auszahlt, ist allerdings höchst fraglich. Ministerpräsident Romano Prodi ist nun, selbst wenn er die Situation bezüglich des Euro noch offenhalten kann, unübersehbar zur Marionette D'Alemas geworden. Eine solche Position hat in Italien ein Regierungschef politisch noch nie lange Zeit überlebt. Werner Raith
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