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Gott trägt jetzt Nadelstreifen

■ Italo-fromm, nur ohne Mastroianni: Sergio Cittis „I magi randagi“ im Forum

Italienische Filme sind wie eine große Familie, in der man sich bald heimisch fühlt. Meistens spielen jede Menge Musikclowns, mindestens ein katholischer Priester und Marcello Mastroianni mit. Sie alle haben irgendwie ihren Glauben verloren und irren deshalb ziellos durch die menschenentleerten Vorstädte Roms. Manchmal sprechen Vögel und Pferde zu ihnen oder Blumen, die auf Müllhalden wachsen. Später taucht dieses schwangere Mädchen auf, das einst Waisenkind war und nun von dem Schuft sitzengelassen wurde, den es doch noch immer liebt. Vor lauter Unglück ist die Kleine ganz stumm, aber einer der Clowns hat ja seine Geige dabei oder eine Klarinette. Und dann wird endlich ein Kind geboren, das fortan allen Beteiligten wieder einen Sinn gibt... Denn in Italien ist Film die Fortsetzung der Bibel auf der Leinwand.

Auch in Sergio Cittis „I magi randagi“ ist alles fromm wie bisher und nur ein bißchen anders. Mastroianni ist im vergangenen Dezember gestorben – nun muß Rolf Zacher den traurigen Clown mimen, was ihm verblüffend fellinimäßig in fließendem Italienisch gelingt. Überhaupt merkt man der Burleske, die auf ein Skript Pier Paolo Pasolinis zurückgeht, den Zeitenwandel nach zwanzig Jahren kaum an. Citti hat einfach die ohnehin versponnene Odyssee aus „Große Vögel, kleine Vögel“ ein wenig abgewandelt und neu erzählt. Statt Glaubenskrise und Faschismus begegnet man heute Fremdenhaß oder der Lega Nord, und Gott trägt derweil Nadelstreifen.

Alles an „I magi randagi“ fügt sich so arglos zueinander, wie man es nur tief im Herzen empfinden kann: Drei arbeitslose Zirkusleute ziehen mit ihrer Moritat von der Bestie Mensch übers Land und nehmen dabei gutgläubige Bauern aus. Schließlich stranden sie in einem winzigen Dorf und lassen sich vom ortsansässigen Priester fürs Krippenspiel als Heilige Drei Könige engagieren. Der Schwindel funktioniert mehr schlecht als recht, bis ihnen tatsächlich eine Sternschnuppe erscheint und den Weg zum Jesuskind weist, das unter einem lichten Baum fröhlich winkt.

Weil man aber in der ungebrochenen Pasolini-Welt auf ebenso altes Pasolini-Personal wie Laura Betti („Teorema“) oder Cittis Bruder Franco aus „Accatone“ trifft, bleibt das Ganze am Ende zutiefst melancholisch und anrührend. Wie ein Revival von Pink Floyd, mit Syd Barrett als Sänger. Harald Fricke

„I magi randagi“. I/D 1997. 97 Min. Regie: Sergio Citti. Mit Rolf Zacher, Silvio Orlando u.a.

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