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Verfassungsbeschwerde bei Abschiebung

■ Verwaltungsgericht verweigert trotz Folterberichten einem Kurden das zweite Asylverfahren

Ayhan Bugrahan ist verzweifelt. Der Kurde soll in die Türkei abgeschoben werden. Genau wie im Juni 1995, als er zum ersten Mal nach Istanbul ausgeflogen wurde. Dort nahm ihn die politische Polizei noch am Flughafen fest. Die Folge: Verhöre mit Elektroschocks, wie Bugrahan selbst berichtet. Genau das befürchtet er jetzt wieder – Folter. Das Problem: Das Bremer Verwaltungsgericht ist von der Wahrheit seiner Aussagen und Befürchtungen nicht überzeugt. Ein weiteres Asylverfahren wird ihm darum verweigert. Es droht die Abschiebung.

Dagegen hat jetzt Bugrahans Anwalt, Albert Timmer, Verfassungsbeschwerde erhoben und gleichzeitig einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht gestellt. Die Verweigerung des Bremer Verwaltungsgerichts, Bugrahan vorläufigen Rechtsschutz gegen die erneute Abschiebung einzuräumen, verstoße gegen Artikel 16 des Grundgesetzes, nach dem politisch Verfolgte in Deutschland Schutz genießen. Zudem verstießen die Bremer Richter gegen den Grundsatz auf rechtliches Gehör (Artikel 103, Grundgesetz), so Timmer.

Das Bremer Verwaltungsgericht begründet dagegen seine Auffassung mit zwei Urteilen aus Bugrahans Vergangenheit. Zum einen wurde der Kurde, der 1989 mit seinen Eltern und drei Geschwistern aus der Türkei geflohen war, ein Jahr später wegen Drogenhandels in Bremen verurteilt. Dazu sagt Rechtsanwalt Timmer: „Ohne dieses frühere Verhalten beschönigen zu wollen, kann es nicht angehen, wenn angesichts dramatisch veränderter Umstände darum Herrn Bugrahan im Eilverfahren, ohne persönliche Anhörung, die Durchführung eines weiteren Asylverfahrensverweigert wird.“

Zum anderen legt das Verwaltungsgericht zu Ayhan Bugrahans Ungunsten jetzt einen Freispruch in der Türkei aus. Die politische Polizei hatte ihn 1995 wegen angeblicher Mitgliedschaft in der PKK verhört, angeblich gefoltert und in Untersuchungshaft genommen. Grundlage für die Anklage waren damals Aussagen eines Kazim B., der ebenfalls eine Zeitlang in Bremen gelebt hatte, ausgewiesen worden war und aus dem gleichen kurdischen Dorf stammt wie Bugrahan. Kazim B. soll aber inzwischen an den Folgen der Folter durch die politische Polizei gestorben sein. „Die Annahme, daß seine belastenden Aussagen gegen Ayhan Bugrahan auf diese Weise zustande kamen, liegt nahe“, mutmaßt Rechtsanwalt Timmer. Fakt ist jedoch, daß die türkische Staatsanwaltschaft nicht schlüssig eine PKK-Mitgliedschaft nachweisen konnte. Bugrahan selbst gab nur zu, einmal an einer PKK-Demonstration in Bremen teilgenommen zu haben. Daraufhin wurde er in der Türkei freigesprochen, was nach Revision der Staatsanwaltschaft auch vom türkischen Kassationsgerichtshof (Letztinstanz) bestätigt wurde.

Doch trotz dieses Freispruchs halten Experten der Menschenrechtsorganisation amnesty international Ayhan Bugrahan bei einer Abschiebung für extrem gefährdet. So kommt der Türkeisachverständige Helmut Oberdiek in einem Gutachten zu der Erkenntnis, daß Bugrahan „Eingriffen in seine körperliche und seelische Integrität ausgesetzt gewesen ist, die nach ihrer Intensität einer schweren Menschenrechtsverletzung gleichkommen“. amnesty international unterstützt darum das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht.

Ingo Kramer, Vorsitzender der zweiten Kammer des Bremer Verwaltungsgerichts, wollte und darf sich zu dem konkreten Vorfall nicht äußern. Allgemein erläuterte er: „Wenn in einem ersten Verfahren das Asylbegehren abgelehnt wurde, kommt es beim zweiten Mal nur noch zu einem Folgeverfahren mit einem Beschleunigungseffekt.“ Das heißt, daß der Asylsuchende die Pflicht hat, neue Beweise beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge für die Stichhaltigkeit seines Asylantrags beizubringen. Wenn dieses Amt ein zweites Asylverfahren mit einer weiteren persönlichen Anhörung des Flüchtlings ablehnt, kann jederzeit die Abschiebung erfolgen. Gegen diese „sofortige Vollziehbarkeit kann dann noch beim Verwaltungsgericht Einspruch eingelegt werden“, so Richter Kramer. Und genau dieser ist im Fall Ayhan Bugrahan schlußendlich abgelehnt worden.

Nur: „Im Falle einer erneuten Abschiebung droht Bugrahan erneut schwere Folter. Er hat ein Recht darauf, in einem ordentlichen Asylverfahren angehört zu werden. Das versuchen wir jetzt über das Bundesverfassungsgericht“, so Rechtsanwalt Timmer. „Der Beschluß des Bremer Verwaltungsgerichts ist schlichtweg verfassungswidrig.“ Jens Tittmann

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