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Fülliger Vamp

■ Gastspiel „Madame Therèse“ aus der Schweiz im Künstlerhaus am Deich / Ein Stück über Theater, Erotik und Vergänglichkeit

Das Leben – eine einzige Sauerei? Darüber kann die Schauspielerin „Madame Thérèse“ nicht genug lamentieren. Sie ist sichtlich älter geworden, die einstige Schauspiel-Schönheit – und füllig dazu. Einmal noch will sie sich ihrem Publikum zeigen – als „Schönheit von reiner Diktion“, um dann endgültig aus dem Leben zu scheiden.

Die Figur der „Thérèse“ stammt aus dem letzten Roman von Blaise Cendrar. Daraus hat der Regisseur Michael Ratynski ein Stück über Theater, Erotik und Vergänglichkeit gemacht – und gemeinsam mit den beiden Schweizer KünstlerInnen Nikola Weisse und Werner Lüdi in Szene gesetzt. Das Ensemble ist jetzt in der Performance-Reihe „passiert“ im Künstlerhaus am Deich zu Gast.

Das Stück „Madame Thérèse“ kommt schmutzig und obszön daher. Denn „Thèrèse“ mutiert,, ob der ganzen Bosheit und Ungerechtigkeit ihres bisherigen Lebens, zum sexbesessenen Vamp. Und diese Rolle spielt Nikola Weisse reiflich aus. Komisch ist es schon, wie sie sich da vor den vielen Schminkspiegeln für ihre letzte Rolle aufpäppelt, pudert und wäscht. War sie doch gerade noch nach einer durchsoffenen Nacht vor ihrem Kühlschrank erwacht.

Der ganze Mief, Suff und Dreck der vergangenen Lebensjahre der „Thérèse“ breitet sich da wie ihre Leibesfülle aus. Doch seltsam unberührt läßt dies vor allem die jüngeren ZuschauerInnen. Denn „Madame“ kämpft vor allem mit der bitterbösen menschlichen Vergänglichkeit, von der die Youngsters noch nichts wissen wollen.

Aber da ist ja noch ihr guter Diener, Eugène (gespielt von Werner Lüdi), der ihr mit seinem Saxophon immer wieder auf die Beine hilft. Doch schließlich scheidet sie mit einem Gedicht von Francois Villon dahin. Ein leiser Abschied von einem kreischigen Vamp – und nur ein softer Trost vom Sax. Zu soft. Aber den älteren Publikums-Semestern hat es gefallen. Katja Ubben

Aufführungen heute, am 28.2. und 1.3. um 20 Uhr im Künstlerhaus

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