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Berliner Aquarium: U.A.w.g. Von Wiglaf Droste

Wissen Sie, was ein „Baustellenambiente“ ist? Ich auch nicht. Ich hätte es aber wissen können. Denn ich bekam eine Einladung: „Der SPIEGEL lädt Sie anläßlich der Eröffnung des neuen Hauptstadtbüros in Berlin-Mitte zu einem Fest im Baustellenambiente ein. Montag, 17. Februar 1997, um 19 Uhr, Friedrichstraße 79 an der Französischen Straße. Stefan Aust“.

Dann stand da noch „U.A.w.g.“ Daß „U.A.w.g.“ nicht „Um Abendgarderobe wird gebeten“ heißt, weiß ich seit 1988, als der Votograf Owsnitzki und ich anläßlich eines Konzerts von Terje Rypdal im Berliner Planetarium bizarrerweise vom Norwegischen Militärkonsulat zu einem Empfang in die Paris Bar gebeten wurden, und zwar mit einer Einladungskarte aus extrem handgeschöpfter Bütte, auf der „U.A.w.g.“ stand.

Herr Owsnitzki und ich, damals wie heute erklärte Verfechter des Klamotten-Understatements, die sich aber ausländischen Gastgebern gegenüber ostentativ respektvoll erweisen wollten, liehen in der Annahme, „U.A.w.g.“ heiße „Um Abendgarderobe wird gebeten“, je eine solche zusammen und erschienen in entsprechend albern aussehenden, schlechtsitzenden Anzügen in einer Gesellschaft lässig und leger gekleideter Norweger, die froh waren, nach Feierabend den Schlipsquatsch sein lassen zu dürfen und sich sehr wunderten, daß gerade die Vertreter der taz, die sie in der Hoffnung, auf verwandt freie Geister zu stoßen, eingeladen hatten, im Stino-Outfit antanzten.

Es wurde dann aber trotzdem noch sehr nett, denn zügig waren die Norweger betrunken, halfen dem Votografen Owsnitzki und mir aus unseren Zwangsanzügen und entpuppten sich als liebenswürdige Defätisten.

Seitdem weiß ich, daß „U.A.w.g.“ bloß „Um Antwort wird gebeten“ heißt. Von dieser weltläufigen Kenntnis befeuert, schickte ich dem Spiegel das Antwortkärtchen zurück; die Frage, wen ich mitzubringen gedächte, beantwortete ich mit einem undurchsichtig-sinistren „Alle, die ich kenne. Hurra!“

Zwar hatte ich nicht die geringste Lust, tatsächlich dorthin zu gehen; über den dort mit Sicherheit auflaufenden Sat.1-Ankermann Ulrich Meyer, der immer aussieht wie mit Hämorrhoidensalbe gescheitelt, weiß ich schon alles, was über diesen Mann zu wissen nötig ist; es bereitete mir allerdings Vergnügen, mir vorzustellen, wie sich die Spiegel-Leute vor einer durstigen Meute fürchten könnten, die ihnen ihr Fest kurzerhand leer- und wegtrinken würde. Für die Teilnahme am Fest indes sprach die Möglichkeit, Henlyk M. Blodel einmal Auge in Auge begegnen zu können – Auge in Auge allerdings nur, falls Blodel sein Fußbänkchen mitbringen oder, was aufs selbe hinauskommt, seinen Kumpel Stefan Aust um Räuberleiter bitten würde.

Hingegangen bin ich aber trotzdem nicht. Im Berliner Aquarium, wo man ohne Kommunikationszwang fremde Wesen bekucken kann, hatte ich tags zuvor schon alle potentiellen Teilnehmer der Party gesehen: diverse Vogelspinnen; Riffhaie; den Löffelstör und die Lappige Lederkoralle; den Doktorfisch; den Kardinalbarsch wie seinen Bruder, den Thomas- Prachtbarsch; Schnepfenmesserfische und Piranhas, und vor allem die in deutschen Gewässern sehr heimische Ohrenqualle.

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