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„Du hast Chancen“

Partnervermittlung per Video: Der Preis fürs Anbandeln wird erst zum Schluß verraten  ■ Von Mechthild Klein

„Single? – Nimm Dir einen!“provoziert der Werbetext eines Hamburger Instituts für Partnersuche per Video. Als neuen „Weg des Kennenlernens“preist das Unternehmen seinen „Service“in einer „modernen, weltoffenen Gesellschaft“an. Immer mehr Menschen wenden sich an Kontaktbörsen und versuchen dort ihr Glück. Der Hamburger Freizeitforscher Horst W. Opaschowsky sieht eine zunehmende Konsumhaltung als auch eine „Kontaktschwäche“als Ursache für den Auftrieb der Partnervermittlungsdienste. Ob sie Menschen helfen können, sei fraglich, sieht man einmal von den immensen Kosten ab. Denn wer schon „im Alltag kontaktarm ist, wird auch dort keine großen Erfolge erzielen“, meint der Erziehungswissenschaftler.

In den heiligen Hallen einer Partnervermittlung an der Außenalster sind derartige Selbstzweifel unbekannt. Gaby, die für die Aufnahme neuer, bindungswütiger Kandidaten zuständig ist, spricht von einer „hohen Trefferquote.“Jedenfalls füllen einige hundert Videokassetten mit Portraits einsamer Hamburger und Hamburgerinnen die Regale im Büro. Im weißgetünchten Warteraum des Vermittlungsdienstes steht bedrohlich eine Videokamera und ein Abspielgerät. Zwei rote, herzförmige Petroleumlämpchen auf dem Couchtisch zwischen zwei schwarzen Ledersofas wirken geradezu unschuldig.

„Die meisten unserer Kunden haben vorher schon vieles versucht: Kontaktanzeigen, Disko-theken ...“, verrät Gaby, die sich offenbar bestens im Geschäft auskennt. Das zeigt sich auch im Umgangston. „Wir duzen uns hier, das ist lockerer“, meint die Mittvierzigerin und notiert gleich den Vornamen auf ihrem Fragebogen. Als erstes wird geprüft, ob auch ein langfristiger Partner gesucht werde. Das sei „Voraussetzung“für den Einstieg, und auf Seriosität lege man großen Wert.

Routiniert hakt Gaby gewünschte Eigenarten des Traumprinzen ab: bevorzugte Haarfarbe, Körpergröße oder Bildungsstand? Auch hilflose Blicke registriert sie sofort und antwortet darauf. „Einen Partner im gleichen Alter? Sagen wir von 30 bis 38 Jahre, ist das okay?“Etwaige Befürchtungen, daß hier überwiegend ältere Klientel auf Lager sei, lösen sich umgehend in Luft auf: „80 Prozent unserer Kunden sind zwischen 18 und 35 Jahre. Die werden immer jünger“, fügt die Frau im Tonfall des Bedauerns hinzu.

Wie viele Partnerschaftswillige derzeit in der Kartei schlummern, bleibt allerdings großes Geschäftsgeheimnis. Auch die Kosten bis zum ersten Treffen werden erst nach einer 50 Mark teuren Beratung eröffnet. Ohne Moos gibt es kein Blättern in den begehrten Katalogen mit den Fotos. Doch ein Lichtblick gibt neuen Mut: „Wir haben Deine Angaben überprüft, Du hast gute Chancen“, verspricht Gaby. Mit Auskünften zum Preis rücken die Agenturen trotz Nachfrage oft erst am Schluß raus. Kein Wunder, denn die Gebühr für das endgültige „Sesam öffne dich“in die Karteien geht weit in die Tausender, was auch Gaby nicht bestreitet.

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