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Unsichere Schonfrist vor Abschiebung

■ Zwei armenische Christinnen bangen vor Ausreise in Türkei

Die armenische Christin Hikmet P.* (20) und ihre Schwester (26) weilen nach wie vor in Bremen. Ihre Aufenthaltsgenehmigungen sind zwar am Mittwoch abgelaufen,jetzt hat aber ihr Anwalt Günter Werner einen zweiten Asylfolgeantrag beim Bremer Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gestellt. Dies hat zwar auf die Abschiebung in die Türkei offiziell keine aufschiebende Wirkung. Intern gibt es aber ein gewisses Stillhalteabkommen.

Allerdings glaubt er nicht an eine neue Entscheidung in etwa zwei Wochen. Das Bremer Verwaltungsgericht hat den ersten Asyl- und den ersten Asylfolgeantrag abgelehnt. Eine Gefahr für die Frauen sei nicht zu erkennen, hieß es.

Ganz anders hört sich dagegen die Version von Hikmet P. und ihrer Schwester an. Bei ihrer Ankunft in Istanbul stünden sie ganz allein in einem Land, in dem sie als armenische Christinnen einer – laut amnesty international – verfolgten Minderheit von etwa 20.000 Menschen angehören. Nahezu ihre komplette Verwandtschaft wohnt in Bremen. Die meisten sind vor der Asylrechtsänderung Ende 1989 nach Deutschland geflohen, genießen unbegrenztes Aufenthaltsrecht. Auch Freunde gibt es nicht mehr in der Türkei, sagen sie. Zudem plagt sie ein Alptraum: Daß sie in die Fänge etwa der politischen Polizei geraten. Nach Angaben ihrer deutschen Schwägerin rechnen sie mit Repressalien bis hin zu Vergewaltigung. (siehe taz vom 8.3.1997)

Doch dafür fehlen Anwalt Werner konkrete Beweise. „Es hat bisher kaum Ausweisungen armenischer Christen gegeben. Die Praxis ist neu. Das ist der Grund.“Er kritisiert darum heftig das Bremer Amtsgericht: „Anscheinend gilt die Devise: Präsentiert uns die Toten, und wir glauben euch.“Seiner Meinung nach macht dies das Asylrecht in weiten Teilen zunichte.

Günter Werner verweist als einzige „positive“Beispiele auf die Verwaltungsgerichte Stuttgart und Braunschweig. „Beide erkennen die armenischen Christen als verfolgte Gruppe an.“Nicht so in Bremen. Dazu Werner: „Ich verstehe es einfach nicht. Wir denken uns die Geschichten doch nicht aus.“

Das stößt jedoch bei Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) auf taube Ohren. Auch von der Möglichkeit, die Abschiebung um sechs Monate zu verschieben, will man keinen Gebrauch machen. Grund: „Bindende Absprachen mit dem Bundesinnenministerium und den LänderinnenministerInnen.“

Derweil wird in Bremen Protest laut gegen die drohende Abschiebung. Dem Innensenator wurde eine Protestnote mit Unterschriften aus Frauengruppen, Friedensinitiativen, amnesty international Bremen und anderen Bewegungen übergeben.

*Name von Red. geändert. jeti

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