: Verliebt in isländische Datails
■ Aktuelle Reisebücher über das kleine Island geizen nicht mit genauen Beschreibungen. Selbst mittelmäßige Fotografen kommen zu herausragenden Ergebnissen, weil die phantastische Natur nichts anderes zuläßt
Die oft zitierte Kargheit Islands schlägt sich nur in wenigen deutschsprachigen Reiseführeren nieder. Sie führt im Gegenteil dazu, daß selbst kleinste Details an ungeheurer Bedeutung gewinnen. So reicht das Spektrum der angebotenen Infoprmation von der Grundrißzeichnung einer Saga- Farm mit Toilette und Bettkammer bis zur genauen Lagebeschreibung des Campingplatzes von Flatey (sieben Einwohner). Eine andere Möglichkeit, die Seiten eines Island-Reisebuchs zu füllen, besteht im großzügigen Verwenden ganzseitiger Farbfotografien — selbst mittelmäßige Fotografen kommen in Island zu phantastischen Ergebnissen. Die Landschaft läßt es gar nicht anders zu.
Das „Island Reise-Handbuch“ von Hans Peter Stein zählt zu den Handbüchern, die mit üppigen Informationen aufwarten. Dabei werden die Leser behutsam von Ort zu Ort geführt und zusätzlich mit wissenswertem über Geologie, Kultur oder Politik versorgt. In den Details stecken allerdings auch die Ungenauigkeiten. Soi ist Island nicht etwa 60 Millionen Jahre alt, sondern nur 16 bis 20 Millionen Jahre. Im Kapitel „Frauen in Island“ kommt die Frauenpartei, die einzige weltweit in einem Parlament (seit 1983) vertretene feministische Partei, nicht vor. Und unter „Gesundheit“ warnt eine gespreizte Hand: „Aids gibt es auch auf Island!“ Vielleicht hätte man an dieser Stelle lieber die Adresse der „Alnaemisamtökin“ veröffentlichen sollen, der örtlichen Aidshilfe.
Ebenfalls ausgesprochen umfangreich ist Oliver Nyuls „Praktisches Reisehandbuch Island“. Selbst der sehr junge isländische Film, Asenglaube und das Schwulenzentrum finden ausgiebig Erwähnung. Das mit Schwarzweißfotos bebilderte Kompendium gibt einen äußerst vielfältigen Eindruck von Kultur und Land. Versehen mit hübschen Vogel- und Pflanzenzeichnungen, einem „Vulkan-Lexikon“ und einer kleinen „Sprachhilfe“ bleibt das Handbuch auch nach erfolgter Reise ein hübsches Nachschlagewerk.
Eher ein Kulturführer, der die Bezüge zwischen Natur und den Bewohnern der Insel aufzeigen will, ist das „Island“-Buch von Sabine Gorsemann und Christian Kaiser aus der rororo-Reihe „Anders Reisen“. Der freundliche Plauderton, in dem die Reisebeschreibungen gehalten sind, wirkt auf die Dauer ermüdend, die Banalität manch witzig gemeinter Bildunterschriften auch. So heißt es, das am Stadtsee Tjörnin die „Seeschwalben ihr Winterquartier mit Vollpension“ beziehen. Tatsächlich ist das Winterquartier dieses Vogels mit dem längsten aller Zugwege die 20.000 Kilometer entfernte Antarktis, seine Wiederkehr am 10. Mai läutet für die IsländerInnen den Beginn des Sommers ein. Wer den Stil jedoch mag, findet nichtsdestotrotz auch hier eine Fülle interessanter und nützlicher Informationen.
Als „unentbehrlich für den individuellen Entdecker“ stellt sich das „Reise-Handbuch Island“ von Ulrich Quack vor. Tatsächlich zählt es mit seinen 500 Seiten zum umfangreichsten der vorliegenden Führer. Neben der ganzseitig reproduzierten handgeschriebenen Speisekarte eines Reykjaviker Jugendlokals finden sich historische Landkarten, alte Fotos, Zeichnungen aller sechs vorkommenden Robbenarten und Fische mitsamt ihren Längenangaben: eine wahre Flut von Information, umgesetzt in etwas biederer Grafik. Wolfgang Müller
Hans Peter Stein: „Island Reise- Handbuch“. Conrad Stein Verlag, 376 S., 34,80 DM
Oliver Nyul: „Island — praktisches Reisehandbuch“. Peter Meyer Reiseführer, 464 S., 34 DM
Sabine Gorsemann, Christian Kaiser: „Island“. Rororo, 311 S., 24,90 DM
Ulrich Quack: „Reise-Handbuch Island“. Iwanowskis Reiseverlag, 497 S., 39,80 DM
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