■ Vorgespult: Das Lesemarathon
Zum Auftakt der Leipziger Buchmesse: 12 Stunden Literatur auf Deutschlandradio Berlin, So. ab 9.12 Uhr.
Letzte Woche in der Wunderkammer: Ob's noch eins sein darf? fragt mich der Redakteur. Ich nicke: klar. So wurstelt er zum x-tenmal eins seiner Schätzchen auf den Tonteller. Zieht die Beine auf den Stuhl und lauscht vergnügt.
Nach dem verheißungsvollen Knacksen eine Frauenstimme. Bettina Galvagni, Debütantin des Literaturbetriebs, liest hochgespannt und monoton aus ihrem Text „Melancholia“. Atemlos und unverbraucht entspinnt sie im Reden ihre Bilderwelt der Psychiatrie. Die hypnotisch klare Stimme malt ein Stück Wirklichkeit, das auch den gutgelaunten Menschen fesselt.
Ein weiteres Band wird angespielt. Diesmal kein Erstling, sondern Siegfried Lenz, in dessen (Konserven-)Stimme nebst amüsant-suleykischen Szenen auch noch ein Hauch verflossener Kulturtage schwingt. Der nächste Stimmwechsel schwenkt wieder zurück in die Gegenwart: Tobias O. Meißner inszeniert seinen „Starfish Rules“ mit spielerischer Lust. Er flüstert, röchelt, bringt Leben in den schrägen Thriller, und manchmal tönt The Cure dazwischen. Alban Nikolai Herbst liest dagegen eher distanziert, wie ein Mann ohne Eigenschaften. Was seinem „Arndt-Komplex“ durchaus entgegenkommt, der einiges von Musil hat.
Das alles waren nur feine Entrees zu einem Riesenbüffet, das ihnen am Sonntag zur Verfügung steht. Dann werden 34 AutorInnen zwölf stracke Stunden lang aus ihren Neuerscheinungen lesen. Gewissermaßen als Kraftextrakt aus dem wirklich „großen Fressen“, der Leipziger Buchmesse. Debütantinnen und Platzhirsche (Christa Wolf, Peter Henning, Katharina Hacker, Doris Dörrie, Kenzaburo Oe, Stefan Heym, Eva Strittmatter...) werden dabeisein. Und auch – soweit sie können – kurze Live-Gespräche geben. Die aparte Frequenz ermöglicht es, die ganze Chose auch im Ausland zu verfolgen. Zum Beispiel in London, wo es nach Heinrich Heine mehr zu lernen gab „als aus allen Büchern der letzten Leipziger Messe“.Gaby Hartel
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