: Nur noch rot und grün gesehen
Hamburgs GAL verabschiedet Wahlprogramm. Realos und Linke denken dabei nur an die Koalitionsverhandlungen mit der SPD ■ Von Florian Marten
Mit einem konkreten Katalog grüner Forderungen, aber ohne sogenannte Knackpunkte oder Vorbedingungen für rot-grüne Koaliti-onsverhandlungen ziehen Hamburgs Grüne in den Wahlkampf. So will es zumindest die Landesmitgliederversammlung der GAL, die am Wochenende im Wirtschaftsgymnasium auf St. Pauli ihren zweitägigen Wahlprogramm-Marathon zelebrierte. Trotz halsbrecherischer Polemik, rund 80 Änderungsanträgen und einer Vielzahl von Kampfabstimmungen, bei denen sich zumeist die Realos durchsetzten, bestand die neue innergrüne Machtbalance zwischen Partei und ParlamentarierInnen, FunktionärInnen und Angestellten ihre erste große Bewährungsprobe.
Das Duo der Parteisprecherinnen, die Linke Antje Radcke und Reala Krista Sager, hatten im Vorfeld ganze Arbeit geleistet: „Unser Programm ist vor allem ein ehrliches Programm“, so Krista Sagers einleitende Worte. „Es ist zwar nicht Nouvelle Cuisine, aber auch nicht Kraut und Rüben, sondern eine ordentliche Mahlzeit, die wir unseren Freunden anbieten können.“
Gleich zu Beginn der Versammlung wurde der von der altlinken GAL-Strömung ZAS („Zwischen allen Stühlen“) vorgelegte Alternativentwurf zur Präambel – eine Art Leitlinie des Wahlprogramms – mit 78 zu 38 Stimmen abgebügelt. Kurz danach setzte die Versammlung ein wesentliches Stück der ZAS-Präambel als Ergänzung in den Landesvorstandsentwurf ein. Ein scheinbar paradoxes Manöver, welches nicht nur auf der gesamten Pressebank für heftige Irritationen sorgte.
Die ZAS-Präambel-Ergänzung macht eine Regierungsbeteiligung der GAL von „konkreten Schritten für eine politische Korrektur“abhängig; angefangen beim „Versuch einer Ausstiegsstrategie aus der Atomenergie“bis hin zur „Rücknahme von Sozialhilfekürzungen“. Damit, so fürchteten die Realos, würden koalitionsverhindernde „Knackpunkte“durch die Hintertür wieder eingeführt. Mehrere spannungsgeladene „Auszeiten“beider GAL-Flügel waren erforderlich, um schließlich durch minimale Ergänzungen für absolute Klarheit zu sorgen: Das Ergebnis von Koalitionsverhandlungen wird insgesamt beurteilt und nicht von der Erfüllung einzelner Forderungen wie Altenwerder oder Flüchtlingspolitik abhängig gemacht.
Die Personaldebatte um die designierte Realo-Spitzenkandidatin Krista Sager und die Überraschungsgegnerin Anna Bruns vermieden die GALierInnen am Wochenende. „Die Garantin des ökologischen Strukturwandels gegen die Anwältin der Entrechteten“, charakterisierte Fraktionsgeschäftsführer Alexander Porschke das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Listenaufstellung am 12. und 13. April.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen