piwik no script img

Der erste Schußwechsel out of area

■ Evakuierungsaktion der Bundeswehr erntet Lob, vor allem Eigenlob. Dennoch warnt Kinkel vor Militärintervention

„Landeklappe auf, einladen, Klappe zu und weg.“ So beschrieb einer der am Freitag nachmittag aus Albanien evakuierten Deutschen die Blitzaktion der Bundeswehr in Tirana. In der Nacht zum Samstag verließen 20 Deutsche und knapp hundert Angehörige anderer Nationen erleichtert die deutsche Transall-Maschine auf dem militärischen Teil des Köln- Bonner Flughafens. Einhellig lobten sie die „Präzisionsarbeit“ der deutschen Soldaten.

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg waren deutsche Soldaten in ein Feuergefecht auf ausländischem Territorium verwickelt worden. Während der Evakuierungsmaßnahme aus der albanischen Hauptstadt Tirana lieferten sich Panzergrenadiere einen Schußwechsel mit Albanern. Sechs Hubschrauber des bei Sarajevo stationierten deutschen SFOR- Kontingents waren am Freitag gegen 16.00 Uhr auf dem Helikopterlandeplatz von Tirana gelandet. Während sie die Flüchtenden aufnahmen, eröffneten Bewaffnete aus gepanzerten Fahrzeugen das Feuer. Sechs deutsche Soldaten schossen zurück. Einer der 250 abgegebenen Schüsse traf einen der eigenen Hubschrauber, ein Albaner soll verwundet worden sein.

„Wir hatten viel gutzumachen“, begrüßte Bundesverteidigungsminister Volker Rühe die Evakuierten und erinnerte an die schmachvolle Rettungsaktion von Mitarbeitern der Deutschen Welle in Ruanda vor drei Jahren. Damals habe man noch die Belgier um Hilfe bitten müssen. Diesmal habe man selbständig, „aus dem Stand, ganz ohne Vorbereitung“ die Menschen ,rausgepaukt‘“. Bundesaußenminister Klaus Kinkel, der die Ankömmlinge ebenfalls in Empfang nahm, meinte: „Ich bin sehr froh, daß wir auch mal helfen konnten.“

Am Nachmittag beim Treffen der EU-Außenminister im niederländischen Apeldoorn warnte Kinkel allerdings vor einem weitergehenden militärischen Engagement in Albanien. Er hält eine internationale Intervention für wenig wahrscheinlich und das Eingreifen einer Polizeitruppe für „nicht möglich“; politische Lösungen könne eine solche Intervention nicht herbeiführen.

Eine erhitzte Debatte der EU- Außenminister hatte am Samstag der Vorschlag ausgelöst, eine Truppe von etwa 1.000 Soldaten zur Absicherung von Flug- und Seehäfen nach Albanien zu schicken. Kinkel warnte mit dem Hinweis auf die Hilflosigkeit der Blauhelme in Exjugoslawien vor einem „neuen Abenteuer“ und setzte sich statt dessen für humanitäre Hilfe ein. Gestern einigten sich die 15 Außenminister darauf, eine Schutzeinheit für ausländische Helfer und Berater zu entsenden. Zunächst solle jedoch eine Delegation vor Ort prüfen, ob Hilfe willkommen ist. Leif Allendorf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen