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Senator Grobi und Verkehrstote

■ Das „Bremer Stadt-Magazin“im EDV-Terminal / Alles für Freunde der Skurrilität

Wehe uns! Ex-Bildungssenator Horst-Werner Franke und Ex-

Finanzsenator Claus Grobecker machen sich wieder im Senat breit! Die Bremer Polizei muß dringend ihr Sondereinsatzkommando ins Bürgerhaus Weserterrassen schicken. Dort werden seit Mitte November letzten Jahres Jugendliche gefangengehalten. Bremen ist vom Schienenverkehr abgekoppelt, aber dafür wird ja der Senat verkleinert.

Was soll dieses dumme Kramzeug, fragen Sie? Moment! All das lehrt uns das „Bremer Stadt Magazin“, das hypermodernste Informationssystem, quasi on line mit der Wirklichkeit verbunden, supereinfach zu bedienen. Ein Kooperationsprojekt zwischen Senat, Uni, Bremer Blatt und Hotel Direkt Ruf. Mehrere Computerterminals über die Stadt verstreut sollen uns unsere kleine Stadt näherbringen. Von aktuellen Terminen bis zu politischen Basisinformationen. Ein mülltonnengleiches Terminal steht beim Finanzsenator, beispielsweise, und eines im Rathaus.

Beispiel gefällig? Bittesehr: Der Senat. Die interessierte BenutzerIn arbeitet sich auf dem Terminal-Bildschirm in die Untiefen der „Bürgerinformation“bis in die „Senatskanzlei“vor, und da wird sie eines Fotos aus einer Senatssitzung ansichtig. Zu Hilfe! Zombies on line! Wir sehen und staunen über (von links nach rechts): den jungen Herrn Beckmeyer (früher mal Wirtschaftssenator, dochdoch), den jungen Herrn Lüthge (in grauer Vorzeit Umwelt-Staatsrat, jetzt Geschäftsführer der Brebau), von ihm verdeckt Eva-Maria Lemke-Schulte (seit 1995 nicht mehr Senatorin), den notorisch vierschrötigen Herrn Grobecker (Finanzsenator bis 1991), den früher mal gering ergrauten Reinhard Hoffmann (bis 1995 Dauer-Wissenschafts- und Bildungsstaatsrat, jetzt Oberster der Senatskanzlei) und daneben, als historischer Höhepunkt, seinen Chef im Bildungsressort Horst-Werner Franke. Nur ist der schon im Februar 1990 zurückgetreten. Preisfrage: Wer ist bloß der Herr links neben Grobecker? Da mußten gestern selbst altgediente Rathaus-Mitarbeiter passen: „Also nee, das weiß ich auch nicht.“

Und wem das Senats-Foto noch nicht skurril genug ist: Im Verzeichnis „Über die Stadt“kommt man pfeilgerade in die Datei „Senat und Verwaltung“. Da kann eine geradezu sensationelle Verwaltungsreform bestaunt werden. Es existieren nämlich nur noch fünf Senatsressorts! Abgeschafft sind der Finanzsenator, der Wirtschafts-, der Häfensenator, der Bausenator sowieso. Was das alles spart! Dafür gibts die Adressen des „Senators für Gesundheit, Jugend und Soziales“– bloß das Ressort gibt es so gar nicht mehr, weil Senatorin Wischer nun auch die Ressorts Frauen und Umweltschutz dazubekommen hat. Macht aber nichts. Die finden sich woanders, und zwar im nie dagewesenen superneuen Monster-Ressort für „Frauen, Bildung, Wissenschaft und Umweltschutz“. Dafür exisistiert noch virtuell das alte Trüpel-Ressort für „Kultur und Ausländerintegration“nebst dem Justizsenator und der Senatskommission für das Personalwesen.

Nix wie weg, werden sich vielleicht die megaverwirrten BenutzerInnen denken. Aber da haben sie die Rechnung ohne das „Bremer Stadt Magazin“gemacht. Der Bildschirm verspricht zwar den „Fahrplan DB“, da aber erscheint nach einigem Warten – und Warten – und Warten der Hinweis „steht zur Zeit nicht zur Verfügung“. Zum Trost gibts noch zwei andere hochinteressante Rubriken: „Autovermietung“und „Verunglückte im Straßenverkehr“. Bleibt noch die Geschichte von den Jugendlichen. „Aktuelle Termine“– hm, gucken wir mal bei „Information und Diskussion“. Da steht immerhin ein Eintrag: „Video-Treff für Jugendliche im Bürgerhaus Weserterrassen“. Und zwar vom „Mo, 18.11., 18 Uhr bis Do, 30.4.“Dabei sollen die doch nicht so viel Fernsehen gucken! J.G.

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