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Wär' ich doch ein Nashorn

■ Weltpremiere in der Nashorn-Schule: Oratorium mit Text von Jan Philipp Reemtsma

Jan Philipp Reemtsma ist nicht nur entführungsgefährdeter Erbe von Tabak-Millionen, der Linksradikalität verdächtigter Hintermann gefürchteter Ausstellungen und promovierter Literaturwissenschaftler. Der Hamburger ist auch Verfasser von Nashorn-Gedichten. Damit unterstützt Reemtsma – „die schreibe ich bei langweiligen Vorträgen“- schon länger den Kampf der Nashorn-Schüler aus dem 6. Jahrgang der Schule Hermannsburg. Die wollen als Kooperationsklasse bis zum 10. Schuljahr mit ihren behinderten Mitschülern zusammenbleiben.

Gestern wurde es in Kirchhuchting aber musikalisch: In der von Kindern und Medienvolk rappelvollen Aula gelangte das „Nashorn-Oratorium“für Klavier, Schülerkapelle, Sänger (Karsten Küsters) und einen Sprecher (Andreas Herrmann, beide vom Bremer Theater) zur Aufführung. Musik: Erwin Koch Raphael. Text: Jan Philipp Reemtsma.

Kostprobe: Ach wär ich doch kein Mensch auf den sich nichts reimt, außer „pensch“das Mittelstück von Lampenschirm. Ach wär' ich doch als Nashorn geborn, ein Wächter wär' entbehrlich, ich wäre selbst gefährlich.

Vor der Premiere hatten Herrmann und Nashorn-SchülerInnen ältere Werke des Dichters vorgetragen: Ein Nashorn stand bei einem Sachsen / auf dem Fuß wie festgewachsen / da sprach der Sachse: „gänsefleisch / da runter gehen / und zwar gleich“.

„Bisher wollte noch niemand Gedichte von mir geschrieben haben“, sagte Reemtsma, der der Journaille dann doch nicht ausweichen konnte, zur Begründung seines Nashorn-Engagements. Zuvor hatte ihn eine Journalistin erfreut: „Ich weiß gar nicht, was ich fragen soll, das spricht alles für sich“. Reemtsma: „Dann fragen Sie einfach nichts. Um so besser.“Vor den Kameras mußte er aber dann doch dozieren: .„Wenn ich Nashorn-Verse schreibe, habe ich die Chance, die Probleme und Risiken eines Körperbaus zu erwähnen“.

Für die Nashorn-Schüler war der Medienrummel nicht neu. Schon andere Prominente wie die SchriftstellerInnen Elfriede Jelinek, Luise Rinser oder Günter Wallraff waren mit entsprechendem Echo als Nashorn-Lehrer tätig. Die Kinder sind weiter entschlossen, mit ihren behinderten Freunden zusammenzubleiben. „Wenn nicht, ist die Schule besetzt“, verkündet der zwölfjährige Armin Alzegger, der im Oratorium die Pauke schlug. Daneben bediente der geistig behinderte Rüdiger Mathey die Congas. Alles lief bestens: „Super, Rüdiger, schlag ein“.

Einen Teilerfolg haben die Nashörner errungen: Sie dürfen auch im nächsten Schuljahr zusammenbleiben, nachdem einige kleinere Umbauten an Klassenräumen gemacht werden. Im Sommer wird laut Schulleiter Rolf Berger auch eine neue fünfte Klasse mit 18 Regelschülern und fünf Behinderten beginnen. Das Ziel bleibt: Gemeinsam bis zur 10. Klasse. Und merke: Ein Nashorn das ist groß und kräftig / im Zorn da ist es ziemlich heftig. Joachim Fahrun

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