Notorische Luftverschmutzer büßen ihr Auto ein

■ Behörden in Delhi wollen die Besitzer von Abgasschleudern hart bestrafen

Delhi (taz) – Überall in der Stadt das gleiche Bild. Vor allen größeren Tankstellen stauen sich die Fahrzeuge kilometerweit. Verkehrschaos. Aber es ist kein Versorgungsengpaß, der viele Besitzer eines fahrbaren Untersatzes zum stundenlangen Warten zwingt, sondern ein kleiner Aufkleber – pollution under control – kurz PUC. Ist der Motor richtig eingestellt oder stimmt die unter der Hand gereichte Summe, so klebt er an der Windschutzscheibe. 25.000 davon am ersten Tag.

Denn seit kurzem macht Delhis Polizei ernst. So jedenfalls verkünden es großformatige Anzeigen in den Tageszeitungen der indischen Hauptstadt. Diesmal soll es den Luftverschmutzern auf Delhis Straßen an den Kragen gehen. Die Strafen dafür sind drastisch. So werden für einen qualmenden Auspuff 1.000 Rupien (40 Mark) berechnet, zehnmal soviel wie für eine überfahrene rote Ampel. Bei wiederholtem Vergehen droht der Einzug des Fahrzeuges.

Ujjwal Mishra, verantwortlicher Offizier der Polizei in Delhi, sagt allerdings einschränkend: „Wir werden zwar von Anfang an hart durchgreifen, haben allerdings überhaupt nicht den Platz, all die Fahrzeuge zu lagern. Es wird wohl nur zum Einzug der Fahrzeugpapiere kommen.“ Es wird langsam Zeit, denn Delhi hat sich in den letzten Jahren mit einem täglichen Ausstoß von zirka 4.100 Tonnen Abgasen bis auf Platz vier der am meisten verpesteten Städte dieses Planeten hochgearbeitet.

Nach einigen relativ erfolglosen Kampagnen gegen die luftverschmutzende Industrie soll es jetzt den Besitzern von Kraftfahrzeugen an den Kragen gehen. Daß das nicht ganz einfach wird, geben sogar hochrangige Politiker zu. So machte letzte Woche Innenminister Indrajit Gupta die Polizei für das Versagen auf Delhis Straßen mitverantwortlich. Die weitverbreitete Korruption in seiner Behörde mache es möglich, mit ein paar Rupien die Abgaszertifikate oder die entzogenen Führerscheine wiederzuerlangen.

Es geht bei der Aktion aber nicht nur um die teilweise vorsintflutlichen Lkw oder die Busse der städtischen Verkehrsbetriebe, sondern auch um die Vespas und die fast 100.000 dreirädrigen Motorrikschas. 75 Prozent der mehr als 2,6 Millionen Fahrzeuge auf Delhis Straßen sind Zweitakter, die mit ihrem Benzin-Öl-Gemisch die Umwelt am meisten belasten.

Die Gründe für die Luftverschmutzung in der Elf-Millionen- Stadt Delhi, der jedes Jahr nach amtlichen Angaben ungefähr 7.500 Menschen zum Opfer fallen, sind aber nicht nur im veralteten Fahrzeugpark oder in der schlechten Benzinqualität zu suchen. Auch die Zunahme der Fahrzeugzahl ist atemberaubend. So wurden im ersten Monat dieses Jahres knapp 340.000 Fahrzeuge in Indien zugelassen, was einen Anstieg um 15 Prozent zum vergleichbaren Monat des Vorjahres ausmacht.

Ein weiterer Grund ist das Fehlen eines effizienten öffentlichen Nahverkehrssystems. Delhi ist eine der wenigen Millionenstädte weltweit, die weder S-, U- noch Straßenbahn besitzen. Die Stadt hängt seit Jahrzehnten von einer Flotte völlig veralteter Überlandbusse ab. Die seit Jahrzehnten an diesem Thema arbeitende Planungskommission hat sich im letzten Herbst zu zwei kurzen Teststrecken einer kombinierten U- und S-Bahn entschlossen, doch werden bis zu deren Fertigstellung noch mindestens weitere neun Jahre vergehen. Thomas Kummerow