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■ VorschlagGilles Barbiers Spielfiguren im Container an der Rosenthaler Straße

Galerien und Baustellen halten sich in Berlin-Mitte ungefähr die Balance. Die Idee, einen Baucontainer auf der noch leerstehenden Fläche zwischen Mulack- und Rosenthaler Straße mit Kunst bespielen zu lassen, lag also nahe – wo doch die Kunst-Werke als fördernde Institution hinter dem Event selbst seit einem halben Jahr wegen Renovierung geschlossen sind.

Der für Ostverhältnisse auffällig moderne graue Container wird seit zwei Monaten von Michael Flor und Ulrike Kremeier für Ausstellungen genutzt, um eine „minimale architektonische Einheit oder maximierte Privatsphäre im öffentlichen Raum“ zu schaffen. Zunächst gab es eine dem 70er-Jahre-Anspruch angemessene und schwer ortsspezifische Präsentation im Crossover-Bereich von Kunst und Architektur, unter anderem mit Entwürfen der Gruppe Archigram. Jetzt stehen vier mutierte Figuren aus Wachs auf einem Brett mit 25 variierenden Farbfeldern in der vielleicht zweieinhalb mal vier Meter schmalen Zelle. Ihre Gesichter sind verschiedenen Krankheitsgraden entsprechend in Braun, Rosa und fahler Asche gehalten, die Körper reichen bis zum Knie, die Hände schlackern kurz über dem Boden. Dadurch kommt man gar nicht erst in die Verlegenheit, sich mit den Männlein zu identifizieren, sondern achtet gleich auf das Spielbrett und die Anweisungen am Rand.

Barbiers Modell-Installation ist dem Schicksal gewidmet: Wie könnte mein Tag im nächsten Augenblick ausschauen? Dafür benutzt er eine etwas umständliche Würfel-Konstruktion samt Trichter, grünem Filz und Seidenstrümpfen, die Bewegungsrichtung und Zahl der Felder auf dem Spielbrett vorgibt. Passend zu den Farben hat Barbier 25 Sprüche an die Wand gepinnt, deren Zuordnung allerdings einige Mühe macht, weil der Künstler farbenblind ist. Mal geht es darum, den Rest des Tages richtig dumm und gemein zu sein; mal heißt es freundlich „Konsultiere deine Organe, rede mit ihnen über die Liebe“. Solchermaßen Alltag und Leben involvierend, wirkt die Arbeit des 1965 geborenen Franzosen weniger total, sondern auf sehr weiche Art sozialverträglich. Ein Spruch lautet dann einfach nur „Verschwinde von hier so schnell wie möglich“; und auch diesem Vorschlag mag man gerne folgen. Harald Fricke

Bis 2.5., Do.–Sa. 14–17 Uhr; Rosenthaler/Mulackstraße

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