■ Urdrüs wahre Kolumne: Die Schleimspur der Kröte
Nirgendwo und nirgendwann wieder war Bremen so wunderbar sozialdemokratisch-stamokapistisch wie beim alljährlichen Umtrunk der Arbeitsgemeinschaftder Selbständigen in der SPD mit den Spitzen der Schaustellerverbände bei der Osterwiese: Zwischen Zuckerwatte, Glühwein und Bratwurst schlug das große Lebkuchenherz der Partei, und Anneliese Leinemann machte in der Perfektbesetzung als Mutter aller Schießbudenfiguren eine staatstragende Figur, wie sie von den Sozis seit Wilhelm Kaisens großen Auftritten auf dem Komposthaufen seines Bauernhofes nie wieder erreicht wurde. Und der Krüppel von Bremen, die Gräfin Emma und der Wahre UrDrü fordern daher mit SPD und Schaustellern die Bürgerweide auf ewig für Ringelspiel und Liebesäpfel, Riesenrad und Bayernzelt. Allerdings müssen die Männer und Frauen des Kirmesgeschäfts etwas besser mitspielen: Wo bleibt die Lustige Ballwurfbude mit den Pappköpfen von Hartmut Perschau, Berni Schulte und dem blassen Schurkendarsteller Claus „mitC“Jäger? Wo der „Hau den Lukas“, mit dem sich Luftballons mit CleCleBie-Logo zum Platzen bringen ließen? A bisserl mehr Mili-Tanz, bitteschön: Die Leute wollen doch alle den BIG LOOP und nicht nur bißchen Berg- und Talbahn!
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Wie sehr sich junge MusikerInnen erniedrigen müssen, um ihren Neigungen frönen zu können, belegt dieses dringliche Gesuch am Schwarzen Brett des Waschsalons in Gröpelingen: „Rockband (Heavy) sucht Proberaum. Pflegen dafür Ihren Garten, führen Hund aus und sorgen für Ihre Sicherheit!“Heavy...
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Kratzt man am Öko, kommt der Reichsarbeitsdienst zum Vorschein: Die grüne Ratsfraktion meines Vaterstädtchens Rinteln forderte zur Zeit der diesjährigen Krötenwanderung nicht nur zusätzliche Schutzzäune, sondern regte durch ihren Sprecher auch noch an, Asylbewerber und Sozialhilfeempfänger für diese Aufgabe heranzuziehen, „weil sie dann sinnvoll beschäftigt werden, ohne Arbeitsplätze zu gefärden“. Eine Anregung auch für die grünen BürgerschaftlerInnen auf der Schleimspur der Erdkröte?
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Der gute Mensch Koschnick fand dieser Tage wieder begrüßenswerte Worte gegen die Rigorosität, mit der das Innenressort die Deportation von Bosnien-Flüchtlingen betreibt. Ob der Herr Ausländeramtsleiter wieder übelnimmt und auf Klage sinnt? Melde Dich, Hans, wenn Du Hilfe brauchst: In Sachen Balkan greift die Rote Zora in heimatlicher Verbundenheit besonders gern ein!
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„Bremer Einzelhandel steht auf der absoluten Verliererseite“, polterte Deutschlands dickster Anbieter von Schlankheitskuren, der Reformhauskaufmann Helmut Zorn, kürzlich aúf dem Gästeabend seiner Zunft im Parkhotel und forderte politische Hilfe für die „letztverbraucherorientierte Dienstleistung“. Dabei hätte er doch genauso gut wie ich als Selbstbetroffener die Schlafmützigkeit hiesiger Pfeffersäcke als Ursache des hausgemachten Teils der Misere ausmachen können: Während im Oldenburgischen und selbst in Vegesack so gediegene Fettsäcke wie Zorn und ich beim Kauf eines Sakkos in Größe 63 einigermaßen mühelos fündig werden, hält man in der City die Magersucht für Mainstream und führt Textilien allenfalls bis Größe XXL im Sortiment. Wer klein denkt, wird klein gemacht!
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Wetten, daß Ocean- und Spacepark nicht kommen? meint zuversichtlich Ulrich „Oversize“Reineking
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