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Grundrechte ausgehebelt

■ Lübecker Brandprozeß: Gericht kritisiert Tonband-Lauschangriff auf Safwan Eid

Das „Jubiläum“begann mit einer Schlappe für die Staatsanwaltschaft: Zu Beginn des 50. Verhandlungstages im Lübecker Brandprozeß verkündete der Vorsitzende des Landgerichtes, Rolf Wilcken, daß die im Februar 1996 im Untersuchungsgefängnis heimlich mitgeschnittenen Gespräche des Angeklagten Safwan Eid mit Freunden und Verwandten nicht als Beweismittel verwendet werden dürfen.

Die auf Antrag der Staatsanwaltschaft angeordnete Abhöraktion sei unzulässig gewesen und habe gegen die Grundrechte des Angeklagten verstoßen. Damit machte sich Wilcken die Rechtsauffassung von Safwan Eids Verteidigerinnen zu eigen, die gerügt hatten, daß die Ankläger unter Umgehung der Beschuldigten-Rechte versucht hätten, per Lauschangriff Belastungsmaterial gegen ihren Mandanten in die Hand zu bekommen.

Im Anschluß an die deutliche Staatsanwalts-Schelte bemühte sich der Direktor des Rechtsmedizinischen Institutes der Lübecker Uni, Manfred Oehmichen, in schöne Worte zu kleiden, daß er sich den Tod des Heimbewohners Sylvio Amoussou nicht erklären kann. Nach den Obduktionsbefunden sei es am wahrscheinlichsten, daß der 27jährige Afrikaner durch einen Hitzeschock oder eine Hitzelähmung gestorben sei.

Daß im Blut Amoussous, anders als bei den anderen Brandopfern, nur wenig Kohlenmonoxid, in seinen Lungen kaum Ruß gefunden worden war, sei – so Oehmichen – kein Beweis dafür, daß der Migrant schon tot war, als das Feuer im Vorbau wütete. Der Pathologe widersprach Vermutungen, ein an der Leiche gefundener Draht lasse auf eine Fesselung schließen. Der Draht sei nur locker um den Leichnam herumgewunden gewesen.

Marco Carini

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