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Streik der argentinischen LehrerInnen eskaliert

■ Nach einem Monat fordert der Konflikt in Patagonien ein erstes Todesopfer

Buenos Aires (taz) – Bei Auseinandersetzungen zwischen streikenden LehrerInnen und der Polizei in der argentinischen Provinz Neuquén ist am Samstag eine 33jährige Frau ums Leben gekommen, weitere Menschen wurden schwer verletzt. Schon seit über einem Monat streiken die LehrerInnen der patagonischen Provinz gegen ein Reformpaket des dortigen Gouverneurs Felipe Sapag, da sie um ihrer Arbeitsplätze fürchten.

Das neoliberale Anpassungsprogramm des Gouverneurs von Neuquén sieht gerade im Bildungsbereich drastische Kürzungen vor. So sollen die Planstellen zusammengestrichen werden und die LehrerInnen weniger Stunden am Tag unterrichten – womit sie auch weniger verdienen. Die Nationalregierung von Präsident Carlos Menem unterstützt den Wirtschaftskurs ihres Profinzfürsten.

Immer wieder hatten die streikenden LehrerInnen in den vergangenen Wochen an verschiedenen Stellen in Neuquén die Nationalstraße besetzt, die ins mehr als 1.000 Kilometer nordöstlich gelegene Buenos Aires führt. Damit war die Provinz von der Hauptstadt so gut wie abgeschnitten, und bei Räumungsaktionen der Grenzpolizei hatte es schon mehrfach Verletzte gegeben. Am Samstag schoß die Polizei in den Städten Plaza Hunicul und Cutral Co große Mengen Tränengas auf die streikenden LehrerInnen, die inzwischen auch von SchülerInnen unterstützt werden.

Polizisten mit Gasmasken zerrten die Streikenden zum Teil an den Haaren davon, andere bekamen Tritte in den Bauch und Knüppel auf den Kopf. Journalisten, die die Zusammenstöße filmten, wurden bei ihrer Arbeit behindert. Die Auseinandersetzungen eskalierten, nachdem die Polizei begann, selbst Wohnhäuser mit Tränengas zu beschießen. Bei den anschließenden Auseinandersetzungen, so jedenfalls der Vorwurf der Familienangehörigen der getöteten Frau, einer Hausangestellten, soll die Polizei auch mit scharfer Munition geschossen haben. Polizei und Argentiniens Innenminister Carlos Corach bestreiten dies. Die 33jährige Teresa Rodríguez war von einer 32-Millimeter- Kaliber-Kugel am Hals getroffen worden und noch während der Operation im Krankenhaus gestorben.

Nach einer Umfrage, die die Tageszeitung Pagina/12 zitierte, geben 63 Prozent der Bevölkerung Neuquéns der Provinzregiereung die Schuld an den schweren Zusammenstößen. Oppositionsparteien in Buenos Aires forderten den Rücktritt des Innenministers Carlos Corach. Dieser will davon nichts wissen. Er schickt sich vielmehr an, neue Sicherheitskräfte nach Neuquén zu entsenden, um die Ordnung wiederherzustellen. Ingo Malcher

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