■ Die andere Wehrmachtausstellung: Neumann und Reemtsma einig
„Als Korrektiv zur Wehrmachtsausstellung“, so teilte gestern der CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann offiziell mit, soll vom 22.4. - 5.5. eine „Ausstellung zum militärischen Widerstand“in der Unteren Rathaushalle gezeigt werden. (vgl. taz 4.4.) „Von der Bremer CDU durchgesetzt“worden sei diese zweite Ausstellung zur Wehrmacht, Titel: „Aufstand des Gewissens“. Der CDU-Politiker: „Sie legt dar, daß sich während der NS-Herrschaft deutsche Soldaten aller Dienstgrade aus ihren unterschiedlichen Positionen heraus und mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln in vielfältiger Weise gegen das Unrecht des Nationalsozialismus zur Wehr gesetzt haben.“Und weiter: „Die Ausstellung aus dem Hause Reemtsma pauschalisiert die Wehrmacht insgesamt als verbrecherische Organisation. Nun wird im Rathaus auch zu sehen sein, daß es nicht nur die eine Seite in der Wehrmacht, sondern auch Widerstand gegen Hitler gegeben hat.“
Bernd Neumann ist ein Meister der politischen Rhetorik. Eine Seite – andere Seite, das kann doch nur heißen: Die Wehrmacht war in dem Sinne, wie es das Hamburger Institut für Sozialforschung dokumentiert hat, als Organisation und in vielen ihren Einheiten an den Verbrechen des Ost-Feldzuges beteiligt, aber es hat „auch Widerstand gegen Hitler“gegeben.
Auch Widerstand gegen Hitler, zweifellos. Dies bestreitet niemand, selbstredend auch die Hamburger Ausstellung nicht. Da geht es um ein anderes Thema, um die systematische Beteiligung der Wehrmacht an den Verbrechen während des Ost-Feldzuges. Daß es dagegen „Widerstand“gegeben habe, das behauptet Neumann klugerweise nicht. Denn diese zweite Wehrmachts-Ausstellung über den „Aufstand des Gewissens“weiß praktisch nichts über einen Aufstand des Gewissens von Soldaten oder Offizieren zu berichten, wenn die Wehrmacht tausende Polen oder Juden der SS zur Ermordung überlassen hat. Die von Neumann und der CDU „durchgesetzte“zweite Wehrmachtsausstellung macht dies auch zum Thema, ohne allerdings die gleichzeitige Beteiligung der Wehrmacht an der Ermordung von hunderttausenden von Zivilisten beim siegreichen Vormarsch der Truppe gen Osten in den Jahren 1941/42 zu thematisieren. Der wissenschaftliche Begleitband von „Aufstand des Gewissens“kommt klipp und klar zu dem Schluß: „Militärischen Widerstand nach Art des Jahres 1938 gab es 1942 nicht mehr.“(S. 395) Die Wissenschaftler benennen dort die Gründe: „Der Rußlandfeldzug wurde von vielen deutschen Soldaten als notwendiger Kreuzzug gegen den Kommunismis empfunden.“(S. 108/9) Nicht nur von den Soldaten, auch von den Offizieren. Diese ideologische Überzeugung, das macht erst die vom Hamburger Institut für Sozialforschung zusammengestellte Arbeit deutlich, war die Voraussetzung für die Beteiligung der Wehrmacht am Vernichtungskrieg.
Erst als der deutsche Vormarsch gestoppt und für die deutsche Armeeführung die Niederlage nicht mehr abzuwenden war, da bildet sich der Widerstand in der Wehrmacht neu – angesichts der sinnlosen ideologischen Durchhalte-Parolen der NS-Führer. Die Mehrzahl der Dokumente der Ausstellung „Aufstand des Gewissens“beziehen sich daher auf das Jahr 1944. Insofern ist sie ein „Korrektiv“, wie Neumann behauptet, in dem Sinne, daß beide Wehrmachts-Ausstellungen sich ergänzen. K.W.
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