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Kalauer statt Schmäh

■ RTL war auch 1996 Marktführer: Trotz Margarethe Schreinemaker(s) hatte Helmut Thoma wieder einmal genug Grund, über die Konkurrenz abzulachen

Manchmal braucht's den Blick auf scheinbar Belangloses, um die Nachtigall trapsen zu hören. So zum Beispiel den in jenes schmucke Hochglanzheftli, das RTL zur Bilanzpressekonferenz gereicht hatte. Auf Seite 34 findet sich da unter dem Stichwort „Infotainment und Magazine“ in einem bunten Kasten eine strahlende Margarethe Schreinemakers im Verein mit sämtlichen DCTP-Programmen sowie Kanal 4 – bekanntlich alles Sendungen, die RTL von der Politik aufs Auge gedrückt wurden und im Hause dementsprechend unbeliebt sind. Letzteres gilt denn auch wohl für Frau Schreinemakers. Welcher andere gemeinsame Nenner sollte ihr in der Werbepostille sonst zu den paar Quadratzentimetern unmittelbar neben „Ten to Eleven“ verholfen haben? Den Quotenladies Barbara Eligmann, Birgit Schrowange und Frauke Ludowig hatte man schließlich satte zwei Seiten eingeräumt. Offiziell verbreitete RTL-Boss Helmut Thoma in Sachen „Schreinemaker“ (wann sagt ihm einer, daß die Dame hinten ein S hat?) jedoch gedämpften Optimismus: „Ein Mißerfolg, keine Frage. Aber ich hab' Hoffnung, daß sich die Sendung noch retten läßt.“ (Für den Fall müßte man schon wieder ein neues Heft drucken lassen.) Aber eigentlich wollte die RTL-Führungsriege ja über Erfolge reden.

Also denn: Die RTL-Bilanz 96, dem Jahr vier der trotz Olympia und Fußball-EM unangefochtenen Marktführerschaft im deutschen Fernsehwesen. Mit 17 Prozent Marktanteil hat RTL wieder mal das Rennen gegen ARD (14,8), ZDF (14,4), Sat.1 (13,2), ARD III (10,1) und Pro 7 (9,5) deutlich gewonnen. Und bei der werbeumgarnten Gruppe der 14- bis 49jährigen sogar noch besser abgeschnitten: mit 19,3 Prozent vor Pro 7 (14,3). Was den Umsatz angeht, gelang RTL im Vorjahr erstmals der Sprung über die Drei-Milliarden-Grenze (3,221 Milliarden), und der Nettoerlös kletterte auf die neue Rekordmarke von 2,052 Milliarden Mark. Unter dem Strich blieben dem Sender 144,1 Millionen Mark Gewinn (1995: 102,6 Millionen). Und das bei deutlich gestiegenen Produktionskosten. Sport ist teuer wie noch nie (Minutenpreis knapp 22.000 Mark; bei Kaufserien schlappe 1.000), macht aber immer noch prima Quote. In den Top ten der erfolgreichsten Sendungen 1996 belegen die körperbetonten Sportarten die vordersten Ränge. Platz eins bis drei: Hauen mit Henry. Ansonsten boomte die „Info-Offensive“ im letzten Jahr wieder mal dank noch mehr Boulevard. Nur das Vorhaben, die „Tagesschau“ zu überholen, hat noch nicht geklappt. Mit 20,9 Prozent blieb „RTL aktuell“ hinter „Tagesschau“ (im Ersten) und „heute“ (je 23,7) zurück. Bei den bis 49jährigen Konsumenten ist man da mit 12,3 Prozent („Tagesschau“: 16,4) allerdings schon viel weiter. Abwarten, wird schon noch.

Und dann ließ Helmut Thoma doch noch einen seiner allseits beliebten Kalauer raus: „Elektronischer Rinderwahnsinn“ titulierte er Leo Kirchs gefloppten Versuch, mit DF 1 ein digitales Pay-TV zu etablieren. Daß das nicht gelingen könne, sei ja nun wirklich vorhersehbar gewesen. Genau. Ungefähr so wie das mit dem Drei-Stunden- Betroffenheitsblock mit Altersheim-Themen der Schreinemaker. Oder wie diese Frau heißt. Reinhard Lüke

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