: Diskussion zur Einwandererkultur
Viele Fragen wurden am Freitag abend im „WIR - Internationalen Zentrum“gestellt. Alle drehten sich um den Begriff „Einwandererkultur“. 267.000 Ausländer leben in Hamburg – 15 Prozent der Gesamtbevölkerung; sie kommen aus 184 Staaten und haben nicht weniger als 85 Muttersprachen. Doch Zahlen sagen nichts über Inhalte und belegen höchstens die Heterogenität einer Gruppe von fast 300.000 Einwanderern, die statistisch zusammengehören. Die Musikethnologin Susanne Schedtler hat sich mit den ausländischen, in Hamburg lebenden Musikern auseinander gesetzt. Die Ergebnisse ihrer Studie boten die Grundlage für eine lebendige Diskussion, an der auch der iranische Santurspieler Khaschajar Barati und der kolumbianischen Geiger und Komponist Gino Romero Ramirez teilnahmen. Sicher ist, daß es nicht eine, sondern viele Einwanderer(musik)kulturen gibt. Und die wiederum haben nur bedingt Berührungspunkte. Das liegt nicht nur daran, daß jede ethnische Gruppe versucht, ihre traditionelle Musik vor modernen Einflüssen zu schützen, sondern auch an den fehlenden Strukturen, die interkulturellen Begegnungen ermöglichen könnten.
Das soll allerdings nicht heißen, daß die Einwanderermusik im konservativen Sinne stehenbleibt. Im Gegenteil, während die Musik global immer mehr westliche Einflüsse erfährt, entwickelt sich hier die traditionelle Musik weiter. So wurde zum Beispiel dem in Hamburg lebenden brasilianischen Percussionisten Sergio Boré aus Musikerkreisen in Brasilien bescheinigt, daß er brasilianischere Musik spielt als seine Kollgen dort.
Trotzdem die Ethno-Welle große Beliebtheit genießt, spielen die hier lebenden Musiker selten vor deutschem Publikums. Diese Tatsache basiert nicht zuletzt auf der Ignoranz, die die Musiker von seiten der Medien und der Veranstalter erfahren müssen. Außerdem, so wurde während der Diskussion festgestellt, hat der Begriff „Einwandererkultur“einen negativen Beigeschmack. Sie wird mit „amateurhaft“und „folkloristisch“gleichgesetzt und auf diese Art und Weise in ihr Ghetto verwiesen.
Gerade an diesem Punkt, also an der Imagepflege, muß noch Pionierarbeit geleistet werden. Das „Einandererkulturfestival“, das in den Achtzigern vom WIR -Zentrum veranstaltet wurde, war ein erster Versuch, der leider ohne Folgen blieb. Vielleicht wäre der Abschied vom Begriff „Einwandererkultur“ein erster Schritt in die gewünschte Richtung. Wie wär's mit „Weltmusik aus Hamburg“?
Niko Theodorakopulos
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