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Selbstfindung im grünen Biotop

Die Grünen in Nordrhein-Westfalen suchten auf ihrem Parteitag innerparteiliche Versöhnung: Sie wollen die rot-grüne Koalition, aber noch lange nicht alles mit sich machen lassen  ■ Aus Borken Walter Jakobs

Bis zum späten Samstag abend waren die Grünen in Nordrhein- Westfalen fast ein Herz und eine Seele: Realos und Linke, Basisaktivisten und Parlamentarier, Bundes- und Landespolitiker, alle im Ziel vereint, die Selbstzerfleischung zu beenden und sich „solidarisch“ der Zukunft zuzuwenden. Für diesen Konsens hatte nicht nur die flügelübergreifende Einigung in Sachen GarzweilerII kurz vor Beginn des Parteitages in Borken gesorgt, sondern auch eine geschickte Regie, die die Debatte um Atomausstieg und Entsorgungskonsens an die allererste Stelle wandern ließ. Folge: Harmonie pur, denn darüber, daß es bei der „Atompolitik mit uns keine Kompromisse geben wird“, gibt es bei den NRW-Grünen keinen Streit.

Das gilt uneingeschränkt auch für die „Konsensgespräche“ zwischen SPD und CDU/CSU. Da kam Bundesvorstandssprecher Jürgen Trittin am Freitag abend gerade recht, um noch einmal die bisherige Linie zu bekräftigen. Dabei brachte Trittin ein neues Grundsatzpapier aus der Kungelrunde in Sachen Energiekonsens gleich mit. Ein Dokument, so Trittin, das sich im Kern um keinen Deut von dem vorangegangenen „Beamtenpapier“ unterscheide. Und dann folgte unter dem Jubel des Saales die Warnung des Parteisprechers an die SPD: „Wer sich auf dieses Papier einläßt, der will die Konfrontation und sonst gar nichts.“ Das sei kein Konsens, sondern die „reine Verarschung“.

Die Delegierten zurrten diese Position per Antrag gleich fest: Einen solchen Konsens könne es „nicht geben, solange es rot-grüne Koalitionen gibt“. Das müsse „nicht das Ende einer rot-grünen Koalition, sondern das Ende aller rot-grünen Koalitionen auf Landesebene zur Folge haben“.

Atompolitik und GarzweilerII, auf diesen beiden Feldern wollen die Grünen keinen Millimeter zurückweichen. In dem einstimmig verabschiedeten Grundsatzantrag zu dem umstrittenen Braunkohletagebau wird die Position „kompromißlos“ markiert: „Mit Bündnis 90/Die Grünen gibt es kein GarzweilerII und keine Teillösungen.“ Bezüglich des Koalitionsvertrages wird sogar „draufgesattelt“, wie ein führender Grüner unumwunden einräumte. Wenn die SPD den Rahmenbetriebsplan genehmige, dann würde sie damit aus Sicht der Grünen die „Koalition aufkündigen“.

In einem von den Delegierten begeistert gefeierten Redebeitrag stellte die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn klar, daß die Partei uneingeschränkt an der Ablehnung des Projektes festhalte. Die zentrale Botschaft von Borken müsse sein, so auch der zu den Realos zählende Parteisprecher Rainer Priggen, daß „wir Grünen für einen Kompromiß nicht zur Verfügung stehen“. Nachdem die SPD sich seit dem Koalitionsbeginn keinen Millimeter bewegt habe, sei ein solches Signal unumgänglich. Hinter vorgehaltener Hand räumten manche grüne Spitzenpolitiker zwar ein, daß die Totalverweigerung nicht das letzte Wort bleiben könne, aber offen reden mochte darüber niemand. Auch die Frage, wie die aufgebaute Drohkulisse ohne Gesichtsverlust wieder abgebaut werden könne, blieb unbeantwortet.

Nach am Samstag, während der ohne jede Bitternis geführten Debatte über die Bilanz von Rot- Grün, hatte Höhn sich vehement gegen eine grüne Politik der leeren Drohungen gewandt. Die sei zentraler Fehler der letzten Monate gewesen. Es müsse deshalb Schluß damit gemacht werden, „harte Forderungen aufzustellen, um dann am Ende einzuknicken“. Eine Formulierung, die die Umweltministerin nach ihrem leidenschaftlichen Plädoyer gegen jeden Kompromiß zusätzlich bindet.

Postwendend kam gestern die Reaktion von der SPD. Es sei „das gute Recht“ der Grünen, so die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende Gabriele Behler, GarzweilerII politisch abzulehnen, aber sie dürften nicht ihre politischen Wünsche mit dem „Genehmigungsverfahren verwechseln und vermengen, das streng nach Recht und Gesetz ablaufen“ müsse. Der Beschluß stehe im übrigen „im klaren Widerspruch“ zur Koalitionsvereinbarung.

Während beim Thema GarzweilerII von den inneren Fraktionskämpfen der vergangenen Monate nichts mehr zu spüren war, brachen die Konflikte beim Streit um die Luftverkehrspoltik am späten Samstagabend wieder offen aus. Mit großer Mehrheit durchgesetzt wurde ein Konzept, das darauf setzt, den klimaschädlichen Flugverkehr mit Mitteln des Ordnungsrechts einzuschränken. Aufgabe der rot-grünen Regierung sei es, so die zentrale Botschaft, die Flughafeninfrastruktur zu begrenzen und zurückzubauen. Der Versuch der Fraktionsmehrheit um Sprecherin Gisela Nacken, solche Festlegungen zu verhindern, scheiterte klar. Auch die Einwände der Bundestagsabgeordneten Michaela Hustedt, daß es an den gesetzlichen Grundlagen für die im Antrag aufgeführten Instrumente mangele, fruchtete nichts. Hustedts Furcht vor einem Beschluß, „den unsere Landtagsfraktion gar nicht umsetzen kann“, schreckte die Mehrheit nicht.

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