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Noch nicht aus dem Schneider

■ Netanjahu: Keine Anklage wegen Amtsmißbrauchs

Die Hypothek bleibt und der Verdacht auch. Es ist ein Freispruch zweiter Klasse, wenn man so will. Aus Mangel an Beweisen. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wird sich mit den Wirkungen der Bar-on-Affäre noch ein Weile beschäftigen müssen. Ebenso seine Koalitionäre. Die Regierungsparteien haben die Fleischtöpfe der Macht gewählt und auf moralische Erneuerung verzichtet. Das könnte sich als ein verhängnisvoller Bumerang erweisen. Nicht nur wegen der Einsprüche, die Oppositionspolitiker gegen die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft beim Obersten Gericht eingelegt haben. Die Ermittlungen können jederzeit wiederaufgenommen werden. Wenn der einzige Angeklagte, Schas-Chef Arie Deri, vor die Schranken des Gerichts treten muß, kann er auspacken oder schweigen. In jedem Fall wird Netanjahu einen hohen Preis dafür bezahlen müssen.

Ordnung schaffen und Rechnungen begleichen wolle er, hatte Netanjahu seinen Beratern anvertraut. Aber das dürfte dem Regierungschef nun schwerfallen. Die Abhängigkeit des Premiers von seinen Koalitionspartnern ist größer als je zuvor. Den Prügel der „großen Koalition“ kann er nicht mehr schwingen. Die Arbeitspartei wird – zumindest vorläufig – nicht in Netanjahus Regierungsbett kriechen wollen. Den Partikularinteressen der kleinen Parteien wird Netanjahu mehr Beachtung schenken müssen als vorher. Die politische Erpreßbarkeit des Regierungschefs aber wird der Kungelei Tür und Tor öffnen.

Hinter allem wittert Netanjahu die traditionelle politische Elite Israels, den Einfluß der Arbeitspartei. Justiz, Polizei und Medien wirft der rechte Emporkömmling vor, einen Staatsstreich gegen ihn inszeniert zu haben. Das vage Eingeständnis eigener Fehler diente ihm lediglich zur Absicherung der eigenen Rückwärtsverteidigung. Eine solche Haltung aber wird dem Lande eine Stagnation auf allen Ebenen bescheren. Der Friedensprozeß wird weiter torpediert, der Riß in der israelischen Gesellschaft tiefer werden und die Isolation des Landes wachsen. Die Bar-on-Affäre ist zum juristischen, politischen und moralischen Prüfstand geworden. Für Benjamin Netanjahu könnte sie immer noch das baldige Ende einer schillernden Karriere bedeuten. Georg Baltissen

Bericht Seite 8

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