: Ungewöhnliches Asylbegehren
Türkischer Wehrdienstverweigerer beantragt Asyl in Deutschland. Das türkische Konsulat verlängerte den Paß des Studenten nicht mehr ■ Von Vera Gaserow
Berlin (taz) – Sichtlich irritiert nahmen die Mitarbeiter der Berliner Außenstelle des Asylbundesamtes gestern einen ungewöhnlichen Antrag entgegen. Begleitet von fünfzehn Freunden und eskortiert vom Berliner Abgeordneten Riza Baran bat der 29jährige Mustafa Ünalan um politisches Asyl. Als überzeugter Pazifist widersetzt sich der junge Türke dem Militärdienst in seiner Heimat und bittet in Deutschland um Schutz: „Ich habe von meinem grundlegenden Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch gemacht. Ich bin nicht bereit zu lernen, auf Kurden zu schießen und auch auf niemand anderen.“
Mustafa Ünalan engagiert sich seit Jahren in der Berliner „Kampagne gegen die Wehrpflicht“ und hat seine Landsleute bereits mit mehreren Protestaktionen zur Kriegsdienstverweigerung aufgerufen. Aufgrund seiner Überzeugung ist er jetzt in einen Teufelskreis geraten.
Seine Eltern leben seit 30 Jahren in Deutschland. Er selbst hat einen Teil seiner Kindheit hier verbracht, ist aber in der Türkei zur Schule gegangen und hat dort auch das Abitur gemacht. Vor sieben Jahren kam er als Student nach Berlin, ist hier verheiratet und hat ein kleines Kind. Weil er nur mit einem Visum für Studienzwecke in Deutschland lebt, hat Mustafa Ünalan noch keinen Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft, die ihm das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ermöglichen würde.
Als im Ausland Studierender hätte er bis zu seinem 29. Geburtstag den achtzehnmonatigen Wehrdienst in der Türkei ableisten müssen. Im vergangenen Sommer bekam er auch den entsprechenden Einberufungsbescheid vom türkischen Militärkommando. Ünalan verbrannte ihn öffentlichkeitswirksam im Berliner Abgeordnetenhaus. Weil er dem Einberufungsbefehl nicht nachkam, verlängerte das Konsulat seinen Paß nicht mehr. Ohne gültigen Ausweis bekommt er jedoch von den deutschen Behörden keine Aufenthaltsbewilligung mehr.
Seit Anfang April lebte Ünalan deshalb faktisch illegal in Berlin. Ob ihn sein jetzt gestellter Asylantrag langfristig vor einer Abschiebung in die Türkei schützt, ist allerdings fraglich. Als Asylbewerber kann Mustafa Ünalan sein Studium nicht fortsetzen und muß auch damit rechnen, in ein anderes Bundesland verteilt zu werden.
Die allermeisten jungen Männer türkischer Abstammung in Deutschland können – im Gegensatz zu Mustafa Ünalan – eine Kriegsdienstverweigerung durch die Hintertür wählen: Sie kaufen sich entweder für 10.000 Mark und den Preis eines einmonatigen Grundwehrdienstes in der Türkei frei, oder sie entscheiden sich, sofern sie bereits lange genug in Deutschland leben, für die deutsche Staatsbürgerschaft. Dann können sie, auch wenn sie zusätzlich noch einen türkischen Paß haben, den Dienst in Deutschland ableisten.
Seit 1993 erkennt der Nato- Partner Türkei die Zeit sowohl bei der Bundeswehr als auch beim Zivildienst an. Wer als junger Türke erst nach dem 25. Lebensjahr einen deutschen Paß beantragt, hat sogar gute Chancen gänzlich unbehelligt zu bleiben. Von der türkischen Armee kann er sich bis dahin zurückstellen lassen, und nach deutschem Recht ist er dann nicht mehr wehrpflichtig.
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