■ Innenminister Kanther will die Kontrolle über das Internet: Krieg um Krypto
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wenn es um die Überwachung der elektronischen Kommunikation geht, hält es Innenminister Kanther gern mit Lenin. Die Bürgerinnen und Bürger sollen sich zwar ungehindert austauschen dürfen, aber bitte schön nur, wenn den Mitarbeitern der Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste eine Überwachungsmöglichkeit eingeräumt wird: Telefonüberwachung, großer Lauschangriff und jetzt das Verbot nicht kontrollierbarer Verschlüsselungsverfahren.
In den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber den Behörden fleißig neue Überwachungsbefugnisse geschaffen. So wurde zum Beispiel eine neue „Fernmeldeüberwachungsverordnung“ in Kraft gesetzt. Diese verpflichtet sämtliche Betreiber öffentlicher Fernmeldeanlagen, den Strafverfolgern und Geheimdienstlern den Zugang zu ihren Netzen zu schaffen und den Klartext der darin übertragenen Kommunikationsinhalte zur Verfügung zu stellen. Nun sind den Lauschstrategen die Chiffrier- und Kryptoverfahren ins Blickfeld gerückt. Jene Verfahren also, die Nutzer selbst anwenden können, und auf die die Netzbetreiber keinen Einfluß mehr haben. Die Verschlüsselungssoftware „Pretty Good Privacy“ (PGP) etwa, die von den verschiedensten NutzerInnen in Mailboxen oder im Internet als eine Art Briefumschlag für ihre elektronische Post genutzt wird.
Argumentiert wird wie immer mit der organisierten Kriminalität. Ihr darf kein virtuelles Feld zur Verfügung gestellt werden. Und wo der Hinweis auf kriminelle Banden nicht verfängt, werden die Mailboxen neonazistischer Gruppen angeführt. Aber es geht um ganz andere Dimensionen. Die wirtschaftliche Bedeutung des Internets wächst, die Einführung einer elektronischen Unterschrift und eines virtuellen Zahlungsmittels stehen unmittelbar bevor. Beides kann allerdings nur gelingen, wenn dabei fälschungssichere Verfahren verwendet werden – und diese fußen auf der gleichen Technologie, wie sie beim Verschlüsseln elektronischer Briefe verwendet wird. Schon deshalb wird niemand bereit sein, den eigenen Schlüssel bei einer wie auch immer gearteten Kontrollbehörde zu hinterlegen. Wie soll etwa der Mißbrauch im Bereich der weltweit staatlich betriebenen Wirtschaftsspionage wirksam ausgeschlossen werden? Innenminister Kanther dürfte seinen Krieg um Krypto bereits verloren haben. Denn: Vertrauen ist gut, keine Kontrolle ist besser. Wolfgang Gast
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