Die harte US-Politik gegen Teheran wird als „ineffektiv“ eingeschätzt

■ Für Clinton ist der Iran das schlimmste Terrorregime. Außenpolitische Experten empfehlen einen sanfteren Kurs

Offiziell ist die US-Politik gegenüber der Islamischen Republik knallhart: keine Konzessionen und keine Kompromisse mit den Teheraner Theokraten. Und die Europäer hätten sich daran ein Beispiel nehmen und Wirtschaftssanktionen verhängen sollen, erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums, Nicolas Burns, noch im Anschluß an das Treffen der EU-Außenminister in Luxemburg.

1996 unterzeichnete Bill Clinton das sogenannte Iran-Libyen- Gesetz. Mit Sanktionen wie Einfuhrverbot in die USA wollte er verhindern, daß ausländische Unternehmen Geschäfte mit Teheran und Tripolis machen. Doch nach Ansicht von Wirtschaftsfachleuten ist das Embargo ein Flop. Weil andere Staaten sich nicht darum scherten, beklagen US-Firmen Milliardenverluste durch die Politik ihrer Regierung. So sprang, als der US-Ölkonzern Conoco sich nicht an der Ausbeutung des iranischen Siri-Ölfeldes beiteiligen durfte, kurzerhand die französische Konkurrenz von Total ein. „Diese Sanktionen sind für uns nur ein kleiner Kratzer“, trumpften Irans staatliche Medien damals auf.

Trotz dieses Mißerfolgs bleibt das offizielle Washington bei seiner Linie. Einige nicht regierungsgebundene Politiker steuern dagegen einen vorsichtigen Gegenkurs. So erschien wenige Tage nach Verhängung des Mykonos-Urteils in der Zeitschrift Foreign Affairs ein Aufsatz, der Clintons Politik am Golf als „ineffektiv“ und den US- amerikanischen Interessen widersprechend bezeichnet. Statt dessen sollten sich die USA wieder an den Iran annähern. Die Autoren sind immerhin zwei ehemalige Sicherheitsberater früherer US-Präsidenten: Zbigniew Brzezinski diente unter Jimmy Carter, Brent Scowcroft unter George Bush. Die Veröffentlichung erfolgte ausgerechnet, als der Sonderbauftragte des US-Außenministeriums, Peter Tarnoff, durch Europa jettete, um seine dortigen Kollegen nach dem Mykonos-Urteil in Sachen Iran endlich auf US-Linie zu bringen.

„Der Fluß von Golf-Öl wird auch in absehbarer Zukunft entscheidend für das ökonomische Wohlergehen der Industriestaaten sein“, heißt in dem Aufsatz nüchtern. Und über den Löwenanteil dieses Rohstoffes verfüge nun einmal die Islamische Republik. Anstatt wie bisher auf die sogenannte Politik der „doppelten Eindämmung“ Iraks und Irans zu setzen, solle die US-Politik den vergleichsweise unwichtigen Irak weiter ächten und Iran Avancen machen.

Vorwürfe, daß sich die iranische Führung am Golf gelegentlich recht aggressiv gebärde, kontern die beiden Exsicherheitsberater mit der Bemerkung: „Bis jetzt gibt es keinen Anlaß, daß Irans konventionelles Waffenarsenal eine direkte Bedrohung für die regionale Vorherrschaft der USA bildet.“ Zu angeblichen Bestrebungen Irans, sich Atomwaffen zu verschaffen, empfehlen sie eine enge Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde. „Der wahre Impetus“ für eine Kursänderung der US-amerikanischen Iran-Politik müsse aus der „amerikanischen Innenpolitik“ kommen, schreiben die Autoren. Noch scheint die Regierung Clinton dagegenzuhalten. Am Mittwoch setzte sie Iran wieder an die Spitze ihrer Liste der Terrorstaaten.

Mit Interesse allerdings lasen politische Beobachter schon im vergangenen Sommer ein Interview, das Clinton der in London erscheinenden, arabischsprachigen Zeitung asch-Schark al-Awsat gab. Die USA seien bereit, „einen vollständigen und offenen Dialog“ mit dem Iran aufzunehmen, hieß es dort. Einzige Bedingung: Der Kontakt müsse über einen „offiziellen Vertreter der iranischen Regierung“ erfolgen. Das wurde als Verhandlungsangebot an Teheran gewertet. Was daraus wurde, ist nicht bekannt. Einige US-Geschäftsleute scheinen einer Änderung der Iran-Politik der USA jedoch vorauszugreifen. Messebesuchern in Teheran fallen immer wieder Gäste mit breitem texanischen Akzent und Schweizer Reisepässen auf. Thomas Dreger