: Zechen zu Filmhäusern
■ Die 43. Oberhausener Kurzfilmtage zeigten Interaktives, Obskures, sehr Britisches und stehen einstweilen ohne Leitung, dafür mit prima neuem Gebäude da
Die Atmosphäre bei der Preisverleihung in Oberhausen entsprach in etwa dem Charakter des gesamten Festivals: keine Beifallsstürme, sondern eine Abschlußveranstaltung der tausend Danksagungen. Denn die Oberhausener Kurzfilmtage sind mit Ende des Jahres ohne Leitung. Angela Haardt, seit Januar 1990 Chefin des Festivals und in diesen acht Jahren auch verantwortlich für die Rückkehr Oberhausens unter die A-Festivals, geht, weil die Stadtverwaltung den Intendanzvertrag nicht verlängert. Warum, bleibt rätselhaft.
Zwischen Aphorismus und Groschenroman könnte man grob das Feld einkreisen, auf dem sich das Genre Kurzfilm bewegt. Auf den ersten Blick obskur kommt „Crystal Aquarium“ von Jayne Parker aus England, der Preisträger der internationalen Jury, daher. Ein schwarzweißer, halbstündiger Film ohne Sprache, in dem vier Darstellerinnen – eine Drummerin, eine Eisläuferin, eine Unterwassertänzerin und schließlich die Filmemacherin selbst – sich einen rhythmischen Dialog liefern. Im Bett wird Feuer gelegt, Austern dümpeln im lauen Wasser – da ist der Film schon aus. Very british und gestreng das Ganze und nebenbei ein Musterbeispiel für Verknappung und Präzision im Kurzfilm. „Letters from Home“, der den Preis der evangelischen Jury erhielt, war dagegen eine zwischen poetischen Voice-over-Sequenzen und Interviews wechselnder Report zum Thema Aids.
Ob der Kurzfilm als Werbevehikel in Dienst genommen wird, ist für sein Gelingen zweitrangig. Einen dokumentarischen Beitrag zu diesem Thema lieferte Haroun Farockis „Der Auftritt“ aus dem Innenleben einer Werbeagentur. Bis zum Vorfilm im Berlinale-Wettbewerb brachte es der Animationsfilm „Late at Night“ vom Dreierteam Zoller, Saghri und Jordan. Ausgehend von auf Film gedrehten Realszenen entstand ein gemalter Clip zu „Children of the Night“ von Cassandra Wilson: Schlagschatten und obskure Lichtquellen verfolgen eine einsame Nachtschwärmerin auf der Suche nach Gleichgesinnten. Ansonsten war der Trickfilm in diesem Jahr in Oberhausen eher selten.
Den künftig anstehenden ästhetisch-technischen Herausforderungen begegnete das Festival mit dem Sonderprogramm „Hyper Media“. „Four interactive Films“, eine Installation von Chris Hales, ließ sich durch Berühren des Bildschirms lenken. Gloriana Daveport vom Massachusetts Institute of Technology präsentierte die ebenfalls interaktiven „North End Chronicles“, während eine Reihe von Workshops und Vorträgen der Produktion von Videospielen gewidmet war. Ebenso ein Novum die Konferenz der europäischen Filmfestivals. Diskutiert wurde die digitale Vorführung ohne traditionelle Filmrollen. Anklänge ans Oberhausener Manifest, in dem vor über dreißig Jahren in starken Worten von Papas Kino Abschied genommen worden war, verbat man sich dabei. Einzig Edgar Reitz, einstiger Mitunterzeichner, beschwor das große Filmsterben. Im Gegensatz zu diesen Spekulationen ist die Festivalstätte Luise-Albertz-Halle von angenehmer Bodenständigkeit. Einer dieser notorischen Bildungsbauten aus den Sechzigern. Äußerlich ein überdimensionierter Pavillon mit Wabenstruktur, erwartet einen im Innern – nach Durchquerung eines mehr als fußballplatzgroßen Foyers – Hörsaalatmosphäre, gepaart mit dem spröden Charme von hellen Holztäfelungen. Im eleganteren der zwei Säle, dem „Auditorium“, zeigte Noch-Festivalchefin Angela Haardt ein persönliches Programm mit Lieblingsfilmen. Vom schwarzweißen Sequenzfilm „Meshes of the Afternoon“ (1943) bis zu Straub/Huillets Film zu Arnold Schönberg und „La jetée“ (Chris Marker) reichte ihre programmatische Auswahl.
Im deutschen Wettbewerb durfte eine Ruhrpott-Komödie natürlich nicht fehlen. „Was nicht paßt, wird passend gemacht“ zeigt eine Truppe Bauarbeiter bei der Ausübung schwarzen Humors. Was nur noch überboten wurde vom albern-anarchischen „Anonyme Autonome“ (Schrooten/ Bosshard). Stilecht wird im Lauf der Filmhandlung manches Sixpack geleert, während ein Schweizer und ein Adornit dialektisch delirieren.
Weniger lustig sieht es für die noch amtierende Festivalkommission aus. Ob man nun erst mal ohne Leitung weiterschippern oder sogar schon an der Konzeption des nächsten Festival basteln wird, ist unklar. So widmete man sich bei der Pressekonferenz mehr den erfreulichen Besucherzahlen und klopfte sich auf die Schulter, eine effektive Administration erarbeitet zu haben. Zu einer Stellungnahme, was die offensichtlichen Divergenzen mit der Leitung anging, war die Verwaltung nicht zu bewegen.
Wenn auch die Zukunft der Filmtage fragwürdig erscheint, können sich die Oberhausener trotzdem freuen. Nach Art der Region – aus Gasometer mach Einkaufsmeile, aus Werkhof mach Gaststätte – wurde aus dem Direktorenhaus der Zeche „Concordia“ das neue Büro der Filmtage. Renoviert und wieder bezogen, existiert damit ein zusätzlicher Ort für Filmreihen (nicht nur von Kurzfilmen) über die Festspielsaison hinaus. Gudrun Holz
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