: Initiative gegen Umwelthormone
Niedersachsens Umweltministerin will zentrales Register zur Eindämmung von Schadstoffen mit hormoneller Wirkung durchsetzen ■ Aus Hannover Jügen Voges
Gegen die Verbreitung von Umweltchemikalien mit hormoneller Wirkung will die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn aktiv werden. Nach einem internationalen Hearing zu den Schadstoffen, die das hormonelle Nachrichtensystem von Tieren und auch Menschen stören können, kündigte Griefahn gestern in Hannover eine entsprechende Initiative im Bundesrat an. Über das Länderparlament will Griefahn zunächst ein zentrales Register für hormonell wirkende Schadstoffe durchsetzen. Damit soll Produktion und Verwendung der rund dreißig wichtigsten dieser Umweltchemikalien erfaßt und eingedämmt werden.
Das Expertenhearing, das das Landesumweltministerium gemeinsam mit dem World Wide Fund for Nature (WWF) veranstaltete, hat für Griefahn gezeigt, daß der Staat dem Vorsorgeprinzip entsprechend schon jetzt die weitere Verbreitung dieser Chemikalien unterbinden müsse. Griefahn betonte gestern, daß die Forschung über die hormonellen Wirkungen intensiviert werden müsse. Viele Chemikalien ständen im Verdacht, schon in geringen Dosen schädigend in den Hormonkreislauf einzugreifen. Die Politik dürfe nicht bis zum letzten Beweis von gravierenden Wirkungen warten.
Im Labor und auch in der Umwelt zeigen viele altbekannte Schadtstoffe wie DDT, PCB, Dioxine, Furane und organische Zinkverbindungen hormonelle Effekte. Belastet sind mit diesen Schadstoffen vor allem die Gewässer. Ihre Wirkungen sind bei einer Reihe von Meerestieren bereits nachgewiesen. So geht etwa das Aussterben der Wellhornschnecke in der Nordsee auf Organozinkverbindungen zurück, die immer noch in Anstrichen von Schiffen über 25 Meter Länge erlaubt sind.
Auf der Tagung wurden auch zwei Studien aus den USA diskutiert, in denen Entwicklungsstörungen und neurologische Defizite bei Kindern auf Belastungen der Mütter mit hormonellen Schadstoffen durch Fischverzehr zurückgeführt wurden. Die künstlichen Hormone stehen seit langem im Verdacht, Menge und Qualität der Spermien zu verringern.
Monika Griefahn verlangte gestern, neue Chemikalien vor ihrer Zulassung und auch schon im Umlauf befindliche Altstoffe systematisch auf ihre hormonelle Wirkung zu untersuchen. Schon bei einem begründeten Verdacht müßten die Stoffe vom Markt genommen werden. Über ihre Bundesratsinitiative will die Umweltministerin deswegen auch eine Änderung des bundesdeutschen Chemikaliengesetzes und der EU-Pflanzenschutzrichtlinie anregen.
Nach Meinung von Griefahn können die staatlichen Stellen allerdings auch sofort ohne neue Gesetze tätig werden. So sollten die Kommunen in ihre Meßprogramme in Kläranlagen auch die künstlichen Hormone einbeziehen und die Einleitung dieser Stoffen in Kläranlagen und Gewässer unterbinden. Vorbildhaft könnten auch staatliche Institutionen, wie etwa die Marine, auf den Einsatz der gefährlichen Stoffe verzichten.
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