: Ganz umsonst und draußen
■ Die „Kieler Woche“ vom 17. bis 25. Juni verleiht der Fördestadt einen Hauch von Internationalität / Dem Kanal sei dank: Alle Welt weiß, wo Kiel liegt
Mitten in der diesjährigen „Kieler Woche“ wird das 100. Jubiläum des Nord-Ostsee-Kanals gefeiert. Diese terminliche Übereinstimmung hat Tradition, denn auch die kaiserliche Einweihung der künstlichen Wasserstraße fand 1895 im Rahmen einer „Kieler Woche“ statt. Was damals war, steht in den vielen Bildbänden und Broschüren zum Kanaljubiläum. Was diesmal geschieht, steht im Programm der „Kieler Woche“. Das weltberühmte Sommerereignis findet diesmal vom 17. bis 25. Juni statt. Höhepunkt der Kieler-Woche-Kanal-Jubiläumsfeierlichkeiten ist am 20. Juni ein Schiffskorso von Brunsbüttel nach Kiel, an dem neben dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ viele andere Edelfregatten teilnehmen werden – so auch die Leibyacht der englischen Königin. Her Majesty wird am Jubeltag – wie in Wimbledon – von der Herzogin von Kent vertreten.
Doch die „Kieler Woche 1995“ hat viel mehr zu bieten als einen Hauch von Wimbledon. Gesellschaftspolitische Treffen, kulturelle Präsentationen, sportliche Wettbewerbe und volksfestliche Veranstaltungen an Land sind Bestandteil der weltgrößten Segel-Ereignisse auf der Kieler Förde. Diese unverwechselbare Mischung hat die neuntägige Festwoche der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt zu einem internationalen Besuchermagneten gemacht.
In diesem Jahr lautet das gesellschaftspolitische Generalthema „Wasser verbindet“ – und damit ist in der Hafen-, Fährhafen-, Werft-, Marine- und Segelolympiastadt Kiel nicht nur das Wasser der 100 Jahre alten künstlichen Wasserstraße gemeint. Denn auch alle wasserscheuen Gäste finden im randvollen Programm der Festwoche „ihre“ Veranstaltung.
Schon vor der offiziellen Eröffnung kommt die „Kieler Woche“ auf Touren. Sportliche Wettkämpfe zu Wasser und an Land, Begegnungen in Ausstellungen, bei Straßenfesten oder auf der „Spiellinie“ sind möglich, ehe die „Kieler Woche“ am Sonnabend, 17. Juni, so richtig beginnt. Um 19.30 Uhr wird sie vor dem Rathaus mit dem traditionellen Glasen eingeläutet. Diese seemännische „Zeitansage“ übernehmen die Handballer vom THW Kiel, die vor kurzem zum zweitenmal in Folge Deutscher Meister wurden. Ein Riesenapplaus ist den „Zebras“, wie die Spitzenhandballer wegen ihrer gestreiften Trikots genannt werden, gewiß. Außerdem gehören offizielle Politikerreden zum Eröffnungsspektakel, die gewohntheitsgemäß im Pfeifkonzert kaum zu verstehen sind.
Wenn die Politiker ausgebuht werden, ist der „Holstenbummel“ – der Karneval des Nordens – längst im Gange. Hunderttausende wälzen sich durch die Straßen der Innenstadt und landen mit Glück auf der größten Party-Fläche – dem Rathausvorplatz. An den bereits aufgebauten Ständen des internationalen Marktes gibt es Gaumenfreuden aus vielen Ländern. Von 19 Bühnen gibt es Musik der verschiedensten Stilrichtungen. Bis Mitternacht dauert das City-Fest unter freiem Himmel, und Kiel ist mittendrin in seiner Festwoche 1995.
Während der ganzen Festwoche ist gute Laune auf beiden Seiten der Förde garantiert. Immerhin gibt es die Holtenauer Festwoche zum Kanaljubiläum und weitere 13 Stadtteil- und Straßenfeste. Begegnungen bei Musik, Bier und Bratwurst kennzeichnen – wenig originell aber immer wieder beliebt – diese Feten, die die Bewohner selbst organisieren. Das Sommerfest auf dem Ostufer wird traditionell am zweiten Kieler-Woche-Sonnabend (24. Juni) gefeiert. Im Gaardener Volkspark gibt es Kinder- und Straßentheater, Spiele, Stände, Folklore aus sieben Ländern, Rockmusik und ein eigenes Abschlußfeuerwerk.
Auch diesmal präsentiert sich die „Kieler Woche“ den Rockfans als Open-Air-Festival-Woche. Die Landeshauptstadt Kiel und verschiedene Sponsoren holen zahlreiche Stars und Talente zu Konzerten „umsonst und draußen“ an die Förde. Der NDR gestaltet am Eröffnungsabend das Programm auf der Rathausbühne. Gemeinsam mit dem Kulturamt präsentiert Radio Schleswig-Holstein im Musikzelt an der Spiellinie unter anderem Stars wie Wolfgang Niedecken, Pe Werner, Dave Stewart, „Connels“, Klaus Lage und „Nazareth“ sowie Nachwuchs-Bands und eine Comedy-Night mit den „Doofen“ und „Guido Horn“. Am 22. Juni kommt Joan Armatrading zum Festival in den Gaardener Volkspark. Etwas leiser geht es am 18. Juni beim Folklore-Programm auf der Rathausbühne zu.
Am weitesten sichtbar und von vielen Augenpaaren verfolgt, bildet das Abschluß-Feuerwerk mit Musik über der Innenförde am 25. Juni den letzten Programmpunkt der Festwoche. Mit einem „Feuernachtstraum“ zur Musik von Johann Strauss, Sergej Prokofjew und Franz von Suppé klingt dann die „Kieler Woche 1995“ aus.
Tim Kröger
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