: Streßfrei in die Schotterkurve
Wenn heute der Mountainbike-Weltcup startet, ist Britta Kobes nicht dabei: Die Extremsportlerin mit Flugangst hilft anderen Frauen, Ängste abzubauen ■ Von Heidi Wahl
Mit vier Jahren saß Britta Kobes zum ersten Mal in einem Wildwasserkajak, als sechsjährige begann sie mit klassischem Ballett. Bevor die Regensburgerin Anfang 1991 deutsche Snowboardmeisterin im Slalom und Super G geworden ist, frönte sie einer anderen Leidenschaft: dem Free climbing. Inzwischen hat sie noch einmal die Sparte gewechselt: Kobes fährt jetzt Downhill-Rennen.
Eigentlich hätte die Profi- Mountainbikerin an diesem Wochenende beim ersten Weltcup- Wettbewerb dieser Saison im südafrikanischen Kapstadt starten sollen. Aber die ansonsten mutige Extremsportlerin hat abgesagt. Der Grund: Flugangst.
„In dieser Hinsicht bin ich eine Heldin“, meint Britta Kobes ironisch. Die 28jährige saß zwar schon einige Male im Flugzeug, „aber es war jedesmal grausam“. Um die Angst vor dem Fliegen in den Griff zu bekommen, hat sie es mit mentalem Training und Hypnose probiert. Die Therapie war erfolgreich, aber nur kurzzeitig. „Du mußt gleich danach fliegen, dann ist es okay.“ Doch die Kurse liegen schon einige Monate zurück. Je näher der Abflugtermin rückte, desto mulmiger wurde es Kobes. Bis sie sich entschloß, nicht nach Südafrika zu fliegen. So bleibt ihr Hauptziel für 1997, Deutsche Meisterin zu werden.
International dominieren eh andere die Downhill-Sparte: die Französin Ann-Carolin Chausson, Missy Giove und Leegh Donavan aus den USA. „An die kommt sonst keine ran“, weiß auch Kobes. Ab Rang vier werden dagegen die Karten immer neu gemischt. „Da spielt dann das Material, die Vorbereitung und Glück eine Rolle“, sagt die Nationalkaderathletin.
Mit ihren vollgefederten Bikes flitzen die Downhillerinnen mit 70 bis 80 Stundenkilometer den Berg hinunter. Neben einer ordentlichen Portion Kraft erfordern die Abfahrten im Gelände außerdem ein gutes Sprintvermögen und Gleichgewichtsgefühl. Tägliches Training im Kraftraum und mit dem Rad ist unverzichtbar.
Zum Biken kam Kobes wie so viele ihrer Kolleginnen durch ihren Freund. „Durch wen denn sonst“, fügt sie lachend hinzu. Aber der war nicht die einzige Motivation: Denn ihre Snowboardkarriere mußte sie wegen zwei Bandscheibenschäden beenden. Das war Anfang 1993. Damals fing Kobes eine Ausbildung zur Krankengymnastin an, parallel dazu bestritt sie ihre ersten Mountainbike-Wettkämpfe. „Na ja, jetzt fahr' ich halt Downhill-Rennen“, erklärt sie unbekümmert, „und versuche den Frauensport im Bikebereich ein bißchen zu fördern.“
Mit der Mountainbike-Zeitschrift Bike erarbeitete die Profi- Downhillerin im vergangenen Jahr Einsteigertips für Rennfahrerinnen. „Das fand großen Anklang“, erzählt die energiegeladene Bayerin, „die Mädels schreiben mir jetzt noch, wenn sie was wissen wollen.“
Außerdem bietet Kobes Workshops für Frauen an. In den Fahrtechnikseminaren am Gardasee oder im Schwarzwald zeigt sie Anfängerinnen, wie frau eine steile Kurve auf Schotterwegen nehmen sollte – ohne zu stürzen. Und vor allem: angst- und streßfrei. Denn wenn die Geschlechter gemeinsam biken, geht das zumeist auf Kosten der Frauen. „Die hecheln ihren Männern immer hinterher, den Berg rauf und runter“, weiß Kobes nicht zuletzt aus eigener Erfahrung, „da bleibt keine Zeit zum entspannten Üben und schon gar nicht zum Nachdenken, was falsch oder richtig war.“ Sie legt Wert darauf, daß die Kursteilnehmerinnen selbst bestimmen können, was sie wie lange und wie oft üben wollen.
Wer über Stock und Stein fährt wie beim Single-Trail oder sich an Downhill versucht, braucht eine gute Technik. Aber auch Mut und Überwindungskraft. „Diese Geschichten passieren im Kopf“, meint Kobes, „und wenn der Kopf blockiert, geht nichts.“ Weder bei Anfängerinnen noch bei Profis. Trotz der Routine muß auch sie noch an ihrem Selbstvertrauen arbeiten. Entscheidend sei, ob man sich sagt, „ich kann's oder ich kann's nicht“. Deswegen stehen bei ihr auch mentales Training und Motivationsübungen auf dem Übungsplan.
Kopfblockade hin oder her: Britta Kobes düst einfach gern den Berg runter. Und vor allem seit es die „fullies“ (vollgefederte Bikes) gibt. „Das Material schluckt alles.“
Inzwischen hat sich die Abfahrtsexpertin auch dran gewöhnt, mit ihrem Stollenreifenrad den Berg hochzuradeln und nicht nur den Lift zu benutzen. „Es ist nicht mehr so grausig wie am Anfang.“ Dennoch spielt sie nicht mit dem Gedanken, mal wieder die Sportsparte zu wechseln und Cross- Country-Rennen zu fahren. „Dazu bin ich zu alt“. Statt dessen will sie nach ihrer Downhill-Karriere lieber arbeiten. Als Krankengymnastin. Oder noch lieber Kurse geben für Frauen. Damit es dem Nachwuchs mal besser geht. „Ich mußte mir alles selbst beibringen und hatte jede Menge blaue Flecken.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen