piwik no script img

Ralf Vollmann stellt seinen Romanführer vor

Thomas Mann mag er nicht, auch Hermann Hesse kann er nicht leiden, ebenso wie Hans Henny Jahnn, und Karl May kommt gar nicht erst vor – Ralf Vollmann legt mit den Wunderbaren Falschmünzern seinen ungemein lesenswerten und äußerst streitbaren Romanführer vor. Über tausend Romane auf über tausend Seiten hat der Vielleser aufgenommen, Vollmann bekennt sich zur Subjektivität seiner Auswahl und bittet seine Leser: „Seien Sie freundlich und nehmen Sie solche Unordnungen einfach in Kauf, sie haben tausend verschiedene Gründe und kommen öfter vor, Erklärungen würden nichts nützen.“

Ralf Vollmann ordnet seine Kurzcharakteristika weltweit erschienener Romane nach Jahren, die Wunderbaren Falschmünzer umspannen die Zeit von 1800 bis 1930. Vollmann entwirft darin einen einzigartigen Roman-Kosmos – nur wer schreibt, der bleibt. Über Alfred de Musset, der nach den Bekenntnissen eines Kindes seiner Zeit (1836) keinen Roman mehr veröffentlichte, heißt es: „Danach hatte er das Schicksal, das alle haben, die keine Romane schreiben: Er verschwand für uns im Nebel einer irgendwie anderswo realen Welt.“

In seinen knappen Romanskizzen enthält sich Vollmann nicht nur jeder Theorie, sondern auch jeder Interpretation: „Wir legen hier ja keine Geschichten aus, denn was das Lesen nicht bringt, das bringt eine Auslegung nun gar nicht.“Diese geistreich plaudernde Leseverlockung entfaltet die vielschichtigen Bezüge, Querverbindungen und Konnotationen der Welt der Romane.

Vollmanns Qualitätsansprüche sind nicht eben gering, und sein Urteil fällt durchweg entschieden aus. Gustav Freytag nennt er „einen der schrecklichsten Schriftsteller seiner Zeit“, während Wilhelm Raabes Werk ihn entzückt. Vollmann läßt sich bezaubern von den Sprachgespinsten guter Literatur, von der „großen Kunst im Ersinnen einer ganz ungewöhnlich fesselnden, figurenreichen und figurenstarken Handlung“.

Dieser Romanführer unternimmt aufregende Streifzüge durch ein unendliches literarisches Verweissystem, er bietet Entdeckungen zuhauf – und verführt zum Neu- und Wiederlesen.

Frauke Hamann

Ralf Vollmann stellt seine „Wunderbaren Falschmünzer“heute um 20.00 Uhr im Literaturhaus, Schwanenwik 38, vor.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen