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Libudas Rache schlägt zu

Doppeldildo Vibrator Moskovskaja verteidigt unglücklich die deutsche Meisterschaft im Alternativ-Fußball, Pelmke All-Stars „veherlieren“ mit Stil  ■ Aus Bremen Jochen Grabler

Bremen (taz) – „So eine verdammte Scheiße. Ich trete aus. Noch mal mach' ich das nicht mit.“ Was bloß mag diesem Fußballer widerfahren sein, der da so klinsmannesk in Richtung Duschkabine verschwand? Das entscheidende Eigentor geschossen? Wieder mal vom Trainer vorzeitig vom Spielfeld abberufen? Ach was! Besagter Fußballer hat soeben das Feld des Triumphes verlassen, ist grandios deutscher Alternativfußballmeister geworden, hat den Titel verteidigt mit dem Bremer Klasseteam „Vibrator Moskovskaja“, wurde bejubelt und behudelt von allen Seiten. Und will gar nicht so recht glücklich sein. „So eine Scheiße“ – denn nun müssen die zum Doppeldildo mutierten Bremer das Turnier auch im nächsten Jahr ausrichten. Ganz dumm gelaufen.

Alles, aber auch alles hatten sie getan, nicht mehr ganz vorne zu landen. Haben den Zorn aller Nichteingeladenen auf sich gezogen. Haben sich allergruseligste Bewerbungen angetan – wie die Videoaufnahme einer Knieoperation, die von der Altherrenriege von „Juventus Senile“ eingereicht worden war. Haben das Magazin zur Meisterschaft geschrieben, Abende drangehängt, zum Schluß halbe Nächte, damit Bierwagen und Küche und Zelte rechtzeitig standen, haben jede Spielpause hinter Tresen und Mikrophonen verbracht. Haben nur eines vergessen: schlecht genug zu spielen.

2:0 hieß es am Ende des Finales gegen die Bielefelder „Finsterlinge.“ Hochverdient, Klassekick, mit Lattenköpper und Pfostenschuß, zwei Megadribblings vom überragenden Vibratoren Roland (Libudas Rache), ein Tor hat er selbst gemacht, eines Bunny Steinwede überlassen. Die Finsterlinge, seien wir ehrlich, hatten nicht den Hauch einer Chance. Um dann bei der Siegerehrung noch mal leicht nachzutreten, wegen der Organisationsfrage: „Es gibt halt einen ersten Platz – und einen optimalen Platz.“ Haha. Als dann aber die Jubelwellen über den Bremer Meistern zusammenbrachen, da sah die Welt schon wieder freundlicher aus: „Wie die Vibratoren woll'n wir sein“, sang das Zelt selig und feierte orgiastisch den Vibrator- Käpt'n und Cheforganisator Filip „Lunge“ Bertzbach. Und Mannschaft für Mannschaft attestierte „ein super Turnier“. Mit, nebenbei ganz ungewohnt für den Norden, super Wetter.

Die Kicker dankten mit mentaler Vollentspannung. Bis auf die Versorgung einer Platzwunde blieben die Sanitäter unterbeschäftigt. Dafür hatten die Frauen im Massagezelt reichlich an überstrapazierten Waden zu kneten. Als die Mannschaften zur Final-Tribüne wackelten, sah es aus, als hätte die Reha-Klinik Ausgang. Zwei Tage Fußball bei Sommerhitze: „War ja alles prima, bloß zu waaam“, beschwerte sich Heiko, die Torwart- Legende von Rote Beete Hamburg, hernach dann auch. „Nächstes Jahr gründen wir 'ne Keeper- Gewerkschaft, weil, das Torwart- Zeuch is viel zu dick.“ Schallte es aus dem Fan-Block von den „Pelmke All-Stars“ aus Hagen: „Ausziehn, Ausziehn!“

Überhaupt Pelmke. Das Sensationsteam der Meisterschaften. „Wenn wir schon aufm Platz verkacken, dann haben wir wenigstens die geilsten Fans“, hieß es schon in der Vorrunde. So war's dann auch. Die Hagener Unterstützercombo schaffte es trotz zunehmender Hautrötungen und abnehmender Stimmgewalt zwei Tage lang, den unüberhörbarsten Krawall zu machen. Piepegal, ob die eigene Mannschaft vergeigte – was sie tat – oder gar nicht auf dem Platz stand – wie beim Finale um die Meisterschaft. Als die Finsterlinge sichtlich gefrustet in Richtung Würstelgrill schlichen, sangen die Pelmker mitleidend: „Und wir wissen, wie das ist: Veherlieren!“ Und ganz nebenbei erfanden sie beim Bremer Turnier das Wandertransparent: Optische und akustische Unterstützung immer auf Ballhöhe. Na ja, in der Nähe.

Fast hätten die Pelmker noch den 23. und damit vorletzten Platz geschafft. Wenn, ja wenn sich die Traditionskicker von „Juventus Senile“ nicht noch zu einer Energieleistung aufgerafft und das Kellerfinale mit 2:1 umgebogen hätten. Bei allem Alternativgeist irgendwie doch enttäuschend für die Alt-Juvenilen. „Unglücklich verloren – immer“, stöhnten die Spieler. „Man kennt das ja: diese Riesenlöcher zwischen Mittelfeld und Sturm.“ Was gerne, mangels Trainer, zum Murren gegen die vermeintlichen Mannschaftsköpfe führt. Spielmacher Müllender, jaja, der sei schon irgendwie genial, aber mehr so „wie Maradona mit 55 nach dem dritten Entzug mit der Trägheit von Buffy Ettmayer. Wenn dann die anderen die genialen Pässe nicht annehmen, dann bleibt der einfach stehen.“

Wobei sich für die älter werdenden Herren der Traditionsmannschaften eine Lösung abzeichnet. Pelle „wer deckt den Grauhaarigen“ Pelster von Roter Stern Bremen denkt schon über eine Teilung der Meisterschaften nach: „Dann spielen wir in der Ü 40.“

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