: Kräftiges Schrubben genügt
■ Algenbewuchs ärgert so manchen Bootsbesitzer. Ein privates Hamburger Forschungsinstitut sucht nun nach Alternativen zum giftigen Bootsanstrich
Sandkrabben sind schlau. Um sich gegen lästigen Algenbewuchs auf ihrem Rücken zu wehren, vergraben sie sich im weichen Boden. Den Algen fehlt dann das nötige Licht. Außerdem schmirgeln Sandkörner das Grünzeug ab. Alle paar Monate werfen die Krabben auch noch ihren alten Panzer ab und ersetzen ihn durch einen neuen. Von solchen Schutzmechanismen können Bootsbesitzer allerdings nur träumen. Um den Bewuchs mit Seepocken, Muscheln und Algen zu verhindern, streichen sie ihre Boote in der Regel mit diversen Schichten giftiger Farbe. Das soll nun anders werden: Ein Hamburger Labor entwickelt derzeit im Auftrag des Umweltbundesamtes umweltfreundliche Alternativen.
Bootsbesitzern sind die Algen und Muscheln ein Greuel. Innerhalb von nur zwei Wochen können sie sich am Boot festsetzen, dieses wird schwergängiger, der Treibstoffverbrauch kann bis zu 15 Prozent steigen. Die Rümpfe werden deshalb alle paar Jahre mit sogenannten „Antifouling-Farben“gestrichen. Sie enthalten meist den hochtoxischen Stoff Tributylzinn (TBT). Um die Algen zu vertreiben, ist der Anstrich so konzeptioniert, daß ständig TBT entweicht.
In der Nordsee – sie muß jährlich allein 45 Tonnen TBT verkraften – sind durch den Anstrich mittlerweile zahlreiche Weichtiere gefährdet. In niedrigen Konzentrationen wirkt das Organozinn nämlich wie ein Hormon. Bei mehreren Schneckenarten wurde beobachtet, daß sich die vergifteten Weibchen in vermehrungsunfähige Zwitter verwandelten. Inzwischen sind die TBT-haltigen Farben zwar für Boote unter 25 Meter Länge fast europaweit verboten, doch auch die ersatzweise verwendeten Organo-Kupfer- und Stickstoffverbindungen sind bedenklich.
Das private Hamburger Forschungslabor LimnoMar setzt stattdessen auf Farben mit aufwuchshemmenden Naturstoffen, etwa Algenextrakten. Im letzten Jahr testete das Labor im Süß- und Salzwasser neben synthetischen Anstrichen auch Naturharze und -lacke. „Besonders effektiv war eine silikonhaltige Farbe“, erklärt Burkard Watermann, Mitarbeiter des Labors. Aufgrund ihrer wasserabweisenden Oberflächeneigenschaft können sich Algen nicht dauerhaft am Boot halten.
„Leider ist der Anstrich verletzlich und das abgeriebene Silikon nicht abbaubar“, sagt Watermann. Nun wird nach einer ebenso wirksamen, aber härteren Substanz gesucht. Die Eigner großer Pötte warten derweil noch ab. Sie wollen naturverträgliche Alternativen erst einsetzen, wenn sie sich bei kleinen Booten bewährt haben. Das Risiko, nach einem unwirksamen Anstrich ein zweites Mal in die Werft zu müssen, wollen sich die Reeder nicht leisten.
Ein Fazit zieht Meeresbiologe Watermann schon jetzt: „Im Süßwasserbereich kann bereits heute auf giftige Farben verzichtet werden.“Denn dort seien Algen weniger aggressiv als im Meer, mit mechanischen Mitteln ließen sie sich sehr leicht beseitigen.
Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart möchte LimnoMar daher eine Reinigungsanlage für Sportboote entwickeln. Sie könnte einer unter Wasser gesetzten Autowaschanlage ähneln, ihre Bürsten sollen der jeweiligen Bootsform angepaßt sein.
In Finnland wurde bereits eine entsprechende Anlage entwickelt, die auf einem Anhänger von Hafen zu Hafen gefahren wird. An einer Slipanlage ins Wasser geschoben, können auf ihr kiellose Boote gesäubert werden. „Dabei gelangt der Dreck jedoch ins Hafenbecken“, erklärt Watermann.
Ein schwedisches Modell bevorzugt ein anderes System: Kranwagen sollen die Boote aus dem Wasser hieven und zu den Waschanlagen fahren. In Stoßzeiten ließen sich so kurzzeitig viele Boote säubern. „Und an Land ist die Reinigung nicht nur besser zu kontrollieren, dort sind auch Hochdruckreiniger einsetzbar“, sagt Watermann. „Zudem kann das Waschwasser in geschlossenen Kreisläufen zirkulieren, und die Muschelreste sind vielleicht sogar einmal kompostierbar.“
Jörg-Uwe Kerstein
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen