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KommentarZweifel säen

■ Ankläger im Lübecker Brandprozeß planen Rückzug ohne Gesichtsverlust

Der 55. Verhandlungstag im Lübecker Brandprozeß hat die Strategie der Staatsanwälte für die letzte Prozeßphase noch einmal deutlich werden lassen: Auf Freispruch plädieren und gleichzeitig Zweifel an der Unschuld des Angeklagten säen. Noch einmal soll belegt werden, daß die Anklage gerechtfertigt war und Eids Täterschaft auch heute nicht auszuschließen sei. Den Freispruch wird sie also nicht wegen erwiesener Unschuld fordern, sondern weil die Beweise für eine Verurteilung leider nicht ausgereicht hätten.

Dabei geht es den beiden Staatsanwälten nicht nur darum, die eigene Blamage in Grenzen zu halten. Je mehr Zweifel an der Unschuld von Safwan Eid bestehen bleiben, umso leichter wird es für sie, weitere Ermittlungen lautlos versickern zu lassen. Längst haben beide verlauten lassen, daß die Spuren nach Grevesmühlen und ins Lübecker Rotlichtmilieu „abgearbeitet“seien und Hinweise in andere Richtungen nicht existieren würden.

Den Ermittlern kommen dabei zwei Dinge zupaß: Die nicht verfolgten Spuren sind anderthalb Jahre nach dem Brandanschlag weitgehend verwischt. Durch eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit ist es der Staatsanwaltschaft gelungen, ein Bild vom Prozeß zu transportieren, daß die Ankündigung des Gerichts, es könne aufgrund der Fakten nur einen Freispruch geben, als Überraschung erscheinen ließ.

Gibt es keine personellen Konsequenzen im Ermittlungsapparat, dürfte deshalb feststehen: Der Brandanschlag wird niemals aufgeklärt.

Marco Carini

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