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Kalte Zeiten für einsame Tränenwärmer

■ Heiner Roß, Leiter des Metropolis über Pfandflaschen, Kino-Riesen und -Zwerge

Das Metropolis behauptet sich seit 1979 still und hartnäckig gegen Mainstream- und Popcornkino. Doch dem Kino am Gänsemarkt bläst gerade in mageren Zeiten ein kalter Wind entgegen. Besuchermangel, Aufwand, Kosten. Ein Gespräch mit dem Metropolis-Leiter Heiner Roß:

taz: Sie haben angekündigt, daß so etwas wie die Douglas-Sirk-Reihe, die derzeit läuft, die letzte Werkschau ihrer Art im Metropolis wäre.

Heiner Roß: Unser Dilemma ist: Wir treffen auf eine total veränderte Öffentlichkeit. Das heutige Publikum weiß zuwenig über Filme aus den 50ern. Als Sirks Filme ins Kino kamen, trafen sie auf ein Publikum, das neugierig war auf Geschichte aus dem damals noch fernen Amerika. Man konnte die Ausstattung, die Autos und Probleme der Reichen bestaunen. Sirks Filme, das waren welche zum Trösten.

Wieviele Besucher haben sich die Sirk-Filme bisher angeschaut?

Im Schnitt knapp unter 30 pro Vorstellung. Gewünscht hätte ich mir 70.

Ist das ein finanzielles Desaster?

Dadurch, daß wir noch andere Veranstaltungen haben, die recht gut laufen, ist es keins.

Wen oder was klagen Sie denn jetzt eigentlich für dieses Desinteresse an?

Wir beklagen, daß wir als Filmmuseumskino von der Publizistik noch nicht richtig erkannt wurden. Unser Kino ist in der Stadt einmalig, es ist der beste Veranstaltungsort für Filmgeschichte. Nur hier, nicht im Fernsehen, nicht in Multiplexen steht der Film im Mittelpunkt und nicht der Konsum. Ein Hitchcockfilm, z. B. 39 Stufen, wenn Sie da eine Sekunde, also 24 Bilder lang nicht hinschauen, entgeht Ihnen ganz Wesentliches. Verlassen sie heute ein Multiplex-Kino, sagen wir bei Twiste,r um sich zwei Liter Cola zu kaufen, haben Sie nicht das Gefühl, irgend etwas versäumt zu haben. Denn die Tonspur läuft bei vielen dieser Kinos auch außerhalb des Saals mit.

Müssen Sie sich nicht auch fragen, ob Ihr Programm einfach zu unpopulär ist?

Das Medium, mit dem wir arbeiten ist vor allem eins: populär. Aber die Zeiten sind gerade sehr wechselhaft. Die Besucherzahlen waren bei uns immer schwankend, so daß sich da Veränderungen, etwa durch das Cinemaxx, nicht ausmachen lassen. Ich denke, daß viele Menschen sich heute genau überlegen, an welchen kulturellen Ereignissen sie teilnehmen. Und ob sie sich das materiell leisten können.

Was hat sich mit den Multiplexen geändert?

Die zeigen natürlich ausgiebig die gängigen Filme, bis auch der letzte sie gesehen hat, und machen Kino gleichzeitig zu einem Ort, den sich nicht mehr jeder leisten kann. Als ich sieben Jahre alt war, wie mein Sohn jetzt, brauchte ich nur eine Pfandflasche wegzubringen, um ein Ticket kaufen zu können. Mein Sohn müßte jetzt 100 wegbringen, um sich den Eintritt von 15 DM für ein Multiplex-Kino leisten zu können. Ich behaupte, die Multiplexe stehlen den Kindern das Kino.

Arbeitet das Metropolis gegen die Zeit?

Wir arbeiten trotz dieser Zeit. Früher gingen Künstler in das Metropolis um über Filme, die Gegenwart und die Vergangenheit zu diskuttieren. Das ist vorbei.

Wird es in zehn Jahren noch ein Metropolis geben?

Es wird eines geben.

... das dem alten Konzept treu verpflichtet bleibt

... das den alten Filmen treu bleibt, die sind das Konzept. Fragen: Birgit Glombitza

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