: Im Zweifel für Keynes
■ Waigels Sparkurs verschärft die Krise
Über die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung kann man politisch durchaus geteilter Meinung sein. Über die Fakten allerdings nicht. Von äußeren Einflüssen bereinigt, ist das Bruttoinlandsprodukt gerade mal um 0,5 Prozent im ersten Quartal des Jahres gewachsen. „Mickrig“ hat das ein Bankenanalyst gestern genannt. Mangelhaft, Günter Rexrodt, setzen! Ungenügend, Theo Waigel, Klassenziel verfehlt. Da ist Nachsitzen angesagt, bis auch Wirtschafts- und Finanzminister den Zusammenhang zwischen Konjunkturzahlen, gesellschaftlichen Ursachen und Politik verstanden haben.
Das Mickerwachstum ist nur deswegen gerade noch zustande gekommen, weil sich deutsche Produkte im Ausland ganz gut verkaufen ließen. Die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt hat jedoch nur bedingt etwas mit deutscher Wirtschaftspolitik zu tun. Wenn überhaupt, haben die rigide Sozialpolitik und die mickrigen Lohnabschlüsse zu billigeren deutschen Produkten geführt. So schön das für den Export sein mag, so fatal ist diese Politik für das Inland. Haben die Leute kein Geld, können sie eben auch nichts ausgeben. Die Binnennachfrage schrumpft daher beständig, „Minuswachstum“ nennen das die Schönredner in der Regierung. Die Inlandsnachfrage jedoch stärkt die Konjunktur einer Volkswirtschaft nachhaltig – auch die einer Exportnation wie Deutschland.
Die Fakten fechten Waigel nicht an. Der Finanzminister kündigte gestern flugs weitere Sparmaßnahmen an, um seinen löchrigen Etat noch irgendwie zusammenzuhalten und Euro-tauglich zu gestalten. Er hängt weiter an den fragwürdigen Maastricht-Kriterien, die angeblich einen stabilen Euro garantieren. Außer ihm weiß jedoch niemand, ob die Dezimalstellen Härte, Weiche oder Breite der europäischen Währung ausmachen. Unklar ist ja auch weiterhin, ob der Euro nicht überhaupt verschoben wird. Warum sich also knechten, wenn der Lehnsherr nur eine Phantasiegestalt ist?
Es wäre an der Zeit, daß sich der Finanzminister von der Paragraphengläubigkeit verabschiedet und den Fakten zuwendet. Und die sind angesichts der ebenfalls gestern verkündeten Arbeitslosenprognose eindeutig: Staatliche Investitionen braucht das Land, damit es wirtschaftlich und sozial nicht auseinanderfliegt. Ulrike Fokken
Bericht Seite 6
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