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Rumänien empfiehlt sich für die Nato

Durch bilaterale Verträge mit seinen Nachbarn will Rumänien jetzt den Sprung in das Bündnis schaffen. Die Regierung steht unter Druck, denn die Erwartungen der Bevölkerung sind hoch  ■ Von Keno Verseck

Berlin (taz) – Schon seit Jahren wünscht Rumänien einen Nato- Beitritt. Doch erst die derzeitigen Machthaber der früheren demokratischen Opposition, die im vergangenen Herbst die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gewannen, bemühen sich ernsthaft darum, auch die Voraussetzungen dafür zu schaffen. So will Bukarest im letzten Augenblick – vor der entscheidenden Madrider Konferenz am 8./9. Juli – doch noch eine Nato-Mitgliedschaft erreichen.

Ausdruck dieser Bemühungen war, daß die Präsidenten Rumäniens und der Ukraine, Emil Constantinescu und Leonid Kutschma, am vergangenen Montag den jahrelang umstrittenen Grundlagenvertrag unterzeichneten.

In dem Vertrag verpflichten sich die beiden Länder, die bestehenden Grenzen anzuerkennen und den Schutz der Minderheitenrechte zu verbessern. Vor allem ersteres lehnte die frühere rumänische Regierungskoalition aus Ex- Kommunisten und Nationalisten ab. Ihre Argumentation: Rumänien dürfe und werde sein „historisches Recht“ auf die Territorien Nordbukowina und Südbessarabien, die Stalin einst annektieren ließ, nicht aufgeben.

Es ist bezeichnend für den Sinnes- und Stimmungswandel in der rumänischen Politik, daß die rumänische Außenpolitik in nur wenigen Monaten die jahrelang blockierten Verhandlungen zum Abschluß brachte. Die dem Donaudelta vorgelagerte Schlangeninsel, auf die die frühere Regierung ebenfalls „historische Rechte“ anmeldete, bleibt bei der Ukraine, wird aber entmilitarisiert. Den Streit um das Schwarzmeer-Kontinentalplateau, bei dem es um Nutzungsrechte an Bodenschätzen geht, wollen die beiden Länder binnen zwei Jahren beilegen. Rumänien kann einen bisher von der Ukraine kontrollierten Arm des Donaudeltas für die Schiffahrt nutzen. Und schließlich erhält die rumänische Minderheit in der Ukraine mehr Rechte.

Der „Vertrag im europäischen Geist“, wie Rumäniens Staatspräsident Constantinescu ihn nannte, bringt Rumänien ein großes Stück weiter in Richtung Nato. Hoffen die Rumänen zumindest. Ist doch eine der Bedingungen für einen Beitritt ein geregeltes Verhältnis zu allen Nachbarländern. So bemerkte die rumänische Tageszeitung Evenementul Zilei denn auch: „Unser Land versucht mit allen Mitteln, die Gunst der Nato-Mitgliedstaaten zu gewinnen. Deswegen versuchen wir alles, um die Beziehungen zu unseren Nachbarn zu festigen.“

Einen ähnlich lautenden Vertrag hatte die frühere Regierung im September letzten Jahres mit dem historischen Erzfeind Ungarn geschlossen. Doch erst der jetzigen Koalition ist es gelungen, das Verhältnis zu Ungarn und zur ungarischen Minderheit in Rumänien wirklich zu entspannen: Die beiden Länder haben einen konkreten Versöhnungsplan nach deutsch-französischem Muster aufgestellt und weiten ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit aus. Der Verband der ungarischen Minderheit nimmt an der rumänischen Regierungskoalition teil, minderheitenfeindliche Gesetze wurden geändert.

Aufgrund dieser Politik ist Rumänien seit Jahresbeginn fast blitzartig zu einem ernsthaften Nato- Anwärter aufgestiegen. Frankreich wirbt massiv für einen Nato- Beitritt Rumäniens, aber auch Italien, Spanien und die Türkei unterstützen Rumänien. Deutschland hält sich auffallend zurück, sperrt sich aber zumindest nicht gegen einen Beitritt. Das entscheidende Votum der USA steht noch aus.

In Rumänien sind die Erwartungen äußerst hoch. Nicht nur unter Politikern, auch unter der Bevölkerung gibt es eine überwältigende Mehrheit, die den Nato-Beitritt wünscht. Dabei geht es nicht einfach nur um eine militärische Integration oder um einen Schutz vor zukünftigen russischen Bedrohungsszenarien, wie sie viele osteuropäische Länder fürchten. Die Entscheidung über eine Nato-Mitgliedschaft ist in erster Linie ein Ereignis von großer psychologischer Bedeutung: Wird Rumänien von Europa anerkannt und als Partner akzeptiert oder nicht?

Da das Land in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt und die Regierung derzeit ein drastisches Reform- und Sparprogramm durchführt, durch das der Lebensstandard vieler Rumänien in den letzten Monaten deutlich gesunken ist, wird die Entscheidung über Rumäniens Nato-Beitritt zwangsläufig auch innenpolitische Auswirkungen haben und, im Fall einer Ablehnung, zu einer spürbaren Schwächung der Regierung und ihrer Reformpolitik führen.

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