: Aus der Hauptstadt des Pop
■ Die Vorschau: Naked Lunch zwischen Klagenfurt und London
Klagenfurt in Kärnten ist nicht gerade eine Metropole der Popmusik. Das wußten schon vor einer halben Ewigkeit die Leute von der Plattenfirma Big Store. Und so sagten sie eines Tages zu ihren Schützlingen, der Rockband Naked Lunch: „Wißt ihr, daß ihr zehnmal so viele Platten verkaufen würdet, wenn ihr aus Amerika kämt und nicht ausgerechnet aus Klagenfurt?!“Die drei jungen Männer aus dem Süden Österreichs sagten: „Das werden wir ja sehen!“Es war 1992. Die Zeit war günstig. Gerade war über den großen Teich eine ganze Welle von Bands mit langhaarigen Musikern, lauten Gitarren und Karohemden gekommen, und die Kids spielten verrückt. Naked Lunch nahmen eine Platte namens „Balsam“auf und tourten. Schon bald waren die großen Plattenfirmen hinter ihnen her. Aber nach einer Weile gerieten Naked Lunch in Vergessenheit. Irgend etwas schien schiefgelaufen zu sein.
Fünf Jahre später, nämlich vor zwei Monaten, überraschten uns Naked Lunch mit einer neuen Platte. Die Musik: Breite Gitarrenwände, auf denen schwelgerische Melodien surfen, Pop, der sich nicht zwischen Amerika und Britannien entscheiden will, Texte, die sich der Fremdheit der englischen Sprache kokett bewußt sind. Der Titel: „Superstardom“. Der Sinn: Eine Referenz an den „Anspruch auf ein besseres, ein schnelleres Leben“, so Naked Lunch über „Superstardom“als Zustand. Wie schon vor Ewigkeiten geplant, nicht independent gekleckert, sondern (platten-) industriell geklotzt. Naked Lunch waren nach London, in die Hauptstadt der Popmusik, gezogen und hatten einfach nicht aufgehört, unbeirrbar an ihrem Anspruch auf ebenjenen Superstardom festzuhalten.
Nicht, daß das ein todsicheres Rezept wäre, aber diese Herren hat es immerhin ins Vorprogramm von Kiss geführt. Sprich sie darauf an, und du erntest leuchtende Augen.
Auch wenn maßgebliche Hipster der Gitarre schon den Nekrolog gehalten haben, bleibt es abzuwarten, wie sich Naked Lunch bei ihrem Griff nach den Sternen schlagen werden. Heute abend gibt es die Gelegenheit. Andreas Schnell
Heute ab 21 Uhr im Tower
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