: Frieden schaffen mit Folterwaffen
Italiens UNO-Soldaten hatten 1993 in Somalia eigene Methoden der Friedensstiftung. Morde und mit Fotos belegte Mißhandlungen an der Zivilbevölkerung beschäftigen jetzt die Justiz ■ Aus Rom Werner Raith
So ganz können es die Italiener noch immer nicht glauben. Ausgerechnet während nun in Albanien die erste von ihnen selbst angeführte „Friedensmission“ ohne große Zwischenfälle zu verlaufen scheint, kommt das Nachrichtenmagazin Panorama mit einer grausamen Enthüllungsgeschichte über das Verhalten italienischer Soldaten im internationalen UNO-Einsatz in Somalia 1993 einher. Fotos zeigen, wie italienische Soldaten der bislang als untadelig hochgelobten Fallschirmjägereinheit „Folgore“ einem am Boden liegenden nackten Somali Elektroden an die Hoden legen und den daran angeschlossenen Generator in Gang bringen. Dazu gibt es auch noch Erinnerungsbilder von Blauhelmen italienischer Provenienz, die niedergeknüppelten Somalis den Stiefel auf die Brust gesetzt haben, und weitere Aufnahmen, auf denen Italiener mit Lastwagen und Panzern über Schildkröten fahren, um herauszubringen, wieviel deren Schutzschild aushält – am Ende liegen die Tiere zermalmt auf dem Boden. Weitere Berichte sprechen von Branschatzungen und Repressalien gegen somalische Zivilisten aus Rache für Angriffe der Bürgerkriegsmilizen.
„Der häßliche Italiener ist zugange“, vermerkte in der Tageszeitung Repubblica Leitartikler Giorgio Bocca. il manifesto fragt, ob man „dem Offizierskoprs denn noch im entferntesten trauen kann, wenn es stimmt – wie es scheint –, daß die Oberen bei dieser Folter dabeistanden oder die Aktionen gar gebilligt haben?“
Verteidigungsminister Beniamino Andreatta, sonst auch bei den größten Dummheiten seiner Soldaten zu deren Entschuldigung bereit, fand zunächst keine Worte für die Enthüllungen und ordnete dann „strengstes Vorgehen“ gegen die Verantwortlichen an. Der Militärstaatanwalt in Rom hat ein Verfahren eröffnet. Einer der inkriminierten ehemaligen Soldaten hat bei einem neunstündigen Verhör am Samstag nach Angaben der Staatsanwaltschaft bereits alles gestanden. Somalische Behörden haben ihrerseits den damaligen Leiter des italienischen Kontingentes, General Bruno Loi, unter Anklage gestellt. Ein islamisches Gericht im Nordteil der zwischen verschiedenen Milizen geteilten somalischen Hauptstadt Mogadischu legt den Italieniern 11 Morde und 19 Folterfälle zur Last und hat jetzt die Auslieferung der italienischen Somalia-Kommandanten verlangt.
Ausgelöst hat die Verfahren ein ehemaliger Fallschirmjäger, der die inkriminierenden Fotos geschossen hat und nun „nicht mehr schweigen“ möchte – „vor allem, weil wir Italiener nun erneut für die UNO eingesetzt sind und es durchaus möglich ist, daß auch da am Ende wieder nicht alles korrekt abläuft“.
Merkwürdigerweise wurde die Sache aber erst zum Skandal, nachdem das vielgelesene Panorama aus dem Hause Berlusconi sich der Sache angenommen hat. Als derselbe Bericht zwei Wochen früher in der kleinen süditalienischen Zeitung Gazetta del Mezzogiorno veröffentlicht wurde, löste das keinerlei Reaktionen aus. Regierungsstellen munkeln daher, die Sache sei wohl von der italienischen Rechtsopposition programmiert worden, um einen möglichen Erfolg der Albanien-Mission, den sich das Kabinett Prodi gutschreiben würde, von vornherein zu konterkarieren. „Kann sein“, hält il manifest dagegen, „aber das alles reduziert die Grauenhaftigkeit dieser Vorfälle keinen Deut, und wieder einmal zeigt sich, daß dort, wo Soldaten sind, Brutalität im Gleichschritt mithält.“
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