■ Kommentar: Nichts wird gut
Da erklärt eine Bündnisgrüne aufgewühlt, der Bezirk müsse Marlene Dietrich endlich als Standortfaktor erkennen. Da schwätzt ein Sozialdemokrat, er könne verstehen, wenn Frauen mit dem Frauenbild der Dietrich nicht klarkommen. Da fragen Schöneberger Senioren: „Was macht denn diese Person so groß? Warum sollte sie geehrt werden?“ Und da redeten sich Schönebergs Kiezpolitiker in trauter Runde ein, mit der Umbenennung des Kaiser-Wilhelm-Platzes in Marlene-Dietrich-Platz werde nun endlich alles gut.
Nichts wird gut. Auch dann nicht, wenn Grüne und Sozialdemokraten, wie jetzt abzusehen, nach der Sommerpause gemeinsam der Platzumbenennung zustimmen. Blamiert haben sich die Politiker längst; lächerlich gemacht von New York Times bis Neuer Zürcher Zeitung; in die Provinz katapultiert mit einem unsäglichen Streit um die Marlene-Dietrich-Ehrung. Von dem dumpfen Nationalismus betagter Schöneberger Bürger gar nicht zu reden: Die Dietrich habe 1937 mit der Annahme der amerikanischen Staatsbürgerschaft das Vaterland verraten, sie habe Deutschland brüskiert, als sie 1945 in US-Army-Uniform mit den siegreichen Amerikanern einmarschierte. Daß Marlene aus Anstandsgefühl ging, weil sie fand: „Verfolgung unschuldiger Menschen war, ist und bleibt eine verhaßte Tat“, daß sie Fluchthelfer unterstützte, die NS-Verfolgte nach Amerika schleusten, davon wollen sie nichts wissen.
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen: Weder ein Platz, eine Straße noch ein Bahnhofsvorplatz wird nach Marlene Dietrich benannt. Das wäre das ehrlichste. Jens Rübsam
Bericht Seite 36
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